10. Juni 2016

OECD-Beratung contra Klima- und Nachhaltigkeitsziele

Es steht außer Frage, dass die Entwicklung der Infrastruktur von enormer Bedeutung ist. Sie ist das Bindeglied zwischen natürlichen Ressourcen und Märkten, sie stimuliert die industrielle Produktion und ermöglicht weltweit elementare Dienstleitungen für die Menschen. Die G20, für die das Thema eine zentrale Rolle spielt, lässt sich hier maßgeblich von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beraten. Die Heinrich Böll Stiftung beauftragte daher das Institute for Human Rights and Business (IHRB) mit einer Studie, in der die wichtigsten Beratungspapiere der OECD an die G20 im Bereich Infrastrukturentwicklung auf ihre Kohärenz mit internationalen Abkommen für nachhaltiger Entwicklung untersucht werden. Die Studie hat den Titel „Auf der Suche nach Politikkohärenz: Die Infrastrukturberatung der OECD im Kontext Nachhaltiger Entwicklung” (>>> In search of policy coherence: aligning OECD infrastructure advice with sustainable development). Sie wurde in dieser Woche zeitgleich mit dem in Paris tagenden OECD-Forum zum Thema „Verantwortungsvolles Wirtschaften“ veröffentlicht.


Die Untersuchung ergab, dass die Empfehlungen der OECD an die Arbeitsgruppen der G20 zum Thema Infrastrukturinvestitionen nicht mit internationalen Abkommen für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung im Einklang stehen, insbesondere nicht mit den globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDGs). Diese betrachten Infrastrukturentwicklung als wichtige Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung und umfassen auch die Reduktionsziele für CO2-Emissionen bzw. Anpassungsmaßnahmen an die globale Erwärmung. Obwohl die OECD über erhebliche Expertise im Bereich nachhaltige Entwicklung verfügt, wird diese nicht in den Arbeitszusammenhang der Finanzminister und Zentralbankgouverneure, den sog. „finance track“ der G20, eingespeist. Das Gleiche gilt für die weitreichende Expertise der OECD zu Investitionen in „grüne“ Infrastruktur. Die Studie machte darüber hinaus sichtbar, dass die Empfehlungen der OECD im Bereich Infrastrukturentwicklung oft veraltet sind und Investoreninteressen gegenüber den Bedürfnissen der Normalbevölkerung unverhältnismäßig privilegieren. Viele Inhalte werden in Folgepublikationen übernommen. So wird in den untersuchten Publikationen der OECD zum Beispiel unzureichend auf fortlaufende Entwicklungen in den Bereichen Investitionspolitik, Investitionsabkommen oder Konfliktbeilegungsmechanismen Bezug genommen.

Die Autoren der Studie führen diese Mängel u.a. auf die in der OECD herrschende Silomentalität zurück, d.h. die Praxis, nach der die Arbeit zu bestimmten Politikbereichen, z.B. zu „Investitionen“ oder zu „nachhaltiger Entwicklung“, in voneinander getrennten „Silos“ erfolgt. Das OECD-Sekretariat habe wiederholt versucht, diese Silomentalität durch horizontal angelegte und themenübergreifende Analysen aufzubrechen. Bisher hatte dies jedoch nur wenig Einfluss auf die Beratungsarbeit für die G20.

Zu Recht fordert die Studie deshalb, die OECD sollte inne halten und darüber nachdenken, wie sie ihre Infrastrukturberatung an den globalen Zielen für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung ausrichten und die einschlägigen Erkenntnisse anderer multilateraler Organisationen, von Experten und Interessengruppen einbeziehen kann. Sie müsse außerdem Maßnahmen ergreifen, die ihre Beziehung mit der G20 neu justieren. – Dennoch ist nicht nachvollziehbar, warum die Studie die Beratungstätigkeit der OECD für die G20 nicht grundsätzlicher herausfordert. Schließlich sind nicht alle G20 Mitglieder auch Mitglieder in der OECD (11 G20-Staaten der G20 sind OECD-Mitglieder, 8 nicht, und das 20. Mitglied der G20 ist die Europäische Union). Durch ihre umfangreiche Beratungstätigkeit befestigt die OECD, die bis heute im Wesentlichen ein „Klub der Reichen“ geblieben ist, letztlich auch die hegemoniale Rolle der traditionellen Industrieländer.

Keine Kommentare: