EWF oder IWF: Die Wahl zwischen Pest und Cholera
Während vorletzte Woche alle Welt über den Vorstoß zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) diskutierte, standen vergangene Woche die deutschen Überschüsse im Mittelpunkt. Sollte das Kalkül hinter der EWF-Idee wirklich darin bestanden haben, nur über die Defizite der anderen, aber nicht über die eigenen Überschüsse reden zu müssen, dann ist das gründlich schief gegangen. Seit die französische Finanzministerin, Christine Lagarde, am Anfang der Woche die Frage nach der deutschen Mitverantwortung für die Ungleichgewichte in Europa aufwarf, ist die Berliner Republik wie aus dem Häuschen.
Aus: The Financial Times
Dabei ist diese Kritik am Überschussland Deutschland, wie die Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen, keineswegs neu. Seit Jahren erzielt Deutschland strukturelle Überschüsse mit seinen Nachbarn und dem Rest der Welt, die ökonomisch als Export von Arbeitslosigkeit oder als Aneignung fremder Kaufkraft interpretiert werden können. In letzter Zeit ist der Anteil dieser Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse am Bruttosozialprodukt noch einmal kräftig gesteigert worden, weil der deutsche Mainstream ein einseitig auf die Kostenseite orientiertes Verständnis von Wettbewerbsfähigkeit verfolgt. Ein solches Verständnis kann jedoch immer nur Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten anderer bedeuten. Und genau das ruft auch die Kritik der Anderen hervor. Dass es jetzt die Franzosen sind, zeigt nur die Sprengkraft dieses Konflikts, der bislang eher ein potentieller war.
Die EWF-Idee in der Version des Bundesfinanzministers ist übrigens nur dazu angetan, das Misstrauen gegenüber den deutschen Stabilitätsfanatikern zu verstärken. Denn bei näherem Hinsehen handelt es sich vor allem um den Versuch, Defizitländer hart zu bestrafen, in die Deflation zu treiben und notfalls zum Austritt aus dem Euro zu zwingen. Mit einem solidarischen Hilfemechanismus, wie ihn die EU für ihre schwächeren Mitglieder bräuchte (und in Form der Regionalfonds auf anderer Ebene ja bereits hat), hat dieses Konstrukt nichts zu tun. So könnte man es den Griechen nicht verübeln, wenn sie sich in ihrer Verzweiflung gleich dem IWF zuwenden. Dessen Konditionalität könnte kaum schlimmer sein als diejenige, die das Brüsseler Protektorat bereits heute schon durchgesetzt hat. Es bleibt freilich eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Jedenfalls solange sich die Europäer nicht dazu durchringen, eine wirklich eigenständige Alternative zum Internationalen Währungsfonds auf die Beine zu stellen und das monetaristische Gebot von Maastricht über Bord zu werfen, wonach ein Land nicht für das andere einstehen darf.
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