1. Oktober 2009

Istanbul: Skeptische Prognosen und Schuhe auf Strauss-Kahn

Eine Werbetafel am Flughafen verkündet hoffnungsfroh: „Wenn die Krise vorüber ist – kreative Ideen in Istanbul!“ Ja, wenn! Der gestern vorgestellte Financial Stability Report (FSR) des IWF ist eine offene Warnung, dass die Finanzkrise eben nicht vorbei ist. Und der heute präsentierte World Economic Outlook (WEO) sagt zwar für 2010 wieder positive Wachstumsraten voraus, aber der Aufschwung dürfte wesentlich schwächer ausfallen als in bisherigen Erholungsphasen. Letzteres hänge damit zusammen, so der IWF, dass irgendwann in der nächsten Zeit private und binnenwirtschaftliche Nachfrage an die Stelle der staatlichen Konjunkturprogramme treten muss, die aber nirgendwo in Sicht ist. Bemerkenswert wie die Überschussländer wie Deutschland, China und Japan immer schärfer vom IWF ins Visier genommen werden.

Während die Autoren des WEO nicht an eine „Dubble-Dip Recession“ glauben, können die Warnungen des FSR durchaus so verstanden werden: Seine Verfasser streichen heraus, dass aufgrund der bislang mangelhaften Säuberung der Bankenbilanzen von toxischen Papieren und der anhaltenden Zurückhaltung bei der Kreditvergabe durchaus die Gefahr eines weiteren Rückfalls in die Rezession besteht. Immerhin haben die Banken nach IWF-Schätzungen erst rund die Hälfte ihrer jetzt auf 2.800 Mrd. US-Dollar geschätzten Verluste offiziell abgeschrieben – der Rest kommt noch. Und der ungedeckte Rekapitalisierungsbedarf der Geldhäuser ist insbesondere in Europa hoch.



Spektakuläres Ereignis am Rande: Der Geschäftsführende Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn, der ein diskussionsfreudiger Mann ist, hielt heute zum Auftakt seines Istanbul-Parcours einen Vortrag vor Studierenden der hiesigen Bilgi-Universität. Er wurde dabei von einem Schuhwerfer mit den Rufen unterbrochen „Haut ab, Ihr Diebe vom IWF!“ Das kommt hier gut an: Selbst in der schwersten Rezessionszeiten haben die tonangebenden Kräfte des Landes immer Nein zum IWF gesagt.

Strauss-Kahns Reaktion auf die Veranstaltung: Die türkischen Studenten seien sehr höflich; die kritischen Fragen stellten sie ganz zum Schluss. Toleranz der Macht oder Langeweile? Eines ist jedenfalls sicher: Langweilig wird es bestimmt nicht werden, wenn am Samstag die Heinrich-Böll-Stiftung mit ihrer Critical Debate on WB and IMF am selben Ort die Szene belebt.

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