6. Januar 2015

Trostloser Jahrestag: Die WTO wurde 20, und kaum einer hat es gemerkt

Reichlich sang- und klanglos ist der 20. Jahrestag der Welthandelsorganisation (WTO) am 1. Januar 2015 vorüber gegangen. Selbst in den führenden Organen der Wirtschaftspresse war dies kaum ein Anlass zu ausführlicheren Erörterungen. Angesichts des Jubiläums erklärte der Generaldirektor der WTO, Roberto Azevêdo, lediglich, in den letzten beiden Jahrzehnten habe die Organisation „insgesamt einen wichtigen Beitrag zur globalen Ökonomie und zu reibungsloseren Handelsbeziehungen zwischen den Nationen geleistet“. Zitiert wurde er damit kaum. Welch ein Unterschied ist dies doch zu der ehrgeizigen neuen handelspolitischen Agenda, mit der die WTO einst angetreten war!

Auf ihrem 1. Ministertreffen im Dezember 1996 in Singapur orientierte die WTO-Spitze noch auf eine handelspolitische „Millenniumsrunde“, die weitreichende Liberalisierungen – über den klassischen Warenhandel hinaus – auch in den Bereichen Dienstleistungen, Investitionen, Wettbewerbspolitik und öffentliche Auftragsvergabe bringen sollte. Nach dem Debakel von Seattle 1999 gelang es dann zwar in Doha Ende 2001, diese „neuen Themen“ als Mogelpackung unter dem Etikett der „Doha-Entwicklungsagenda“ unterzubringen. Doch in den folgenden Jahren zerbröselte die weit gefasste Agenda am Widerstand der Entwicklungsländer zusehends, und ein „neues Thema“ nach dem anderen musste von der Agenda genommen werden. Auch was übrig blieb hat mit Entwicklungsagenda so wenig zu tun wie die neuen Themen mit klassischer Handelspolitik.

Bis heute hat die WTO ihren Tiefpunkt noch nicht überwunden, auch wenn jetzt wieder pragmatischer über einfachere Dinge wie technische Handelserleichterungen – das sog. Bali-Paket – verhandelt wird. Interessant ist, dass der Welthandel trotz der zerbröselnden Agenda der WTO enorm hohe Wachstumsraten erzielt hat, die meistens über denen des globalen Outputs lagen. Dieses Muster hat sich erst im Gefolge der jüngsten Finanzkrise verändert: Seither folgt der Welthandel dem Muster der schleppenden und kraftlosen Erholung, die auch die Weltwirtschaft insgesamt kennzeichnet. Dennoch wird kräftig die Illusion geschürt, weitere Liberalisierungen könnten dem lahmenden Wachstum wieder auf die Beine helfen. Doch gilt hier eher das Gegenteil: Erst eine robuste Erholung des Outputs, angetrieben durch starkes Binnenwachstum, dürfte eine erneute Expansion des internationalen Handels beflügeln und nicht umgekehrt.

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