21. Januar 2015

Der Davos-Kontext: Kontext eines Requiems

Wie gut, dass ich das Motto des diesjährigen Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos („Der neue globale Kontext“) gleich nach seiner Bekanntgabe im letzten Oktober aufgegriffen habe (>>> Auf- und Überholen in der Weltwirtschaft: Der neue globale Kontext). Die Programm-Macher hatten es nämlich so verstanden, dass in den Headlines der Veranstaltungen am heutigen ersten Tag möglichst oft die Wörter „neu“ und „Kontext“ vorkommen müssten. Und so gab es Panels unter dem Motto „Der neue digitale Kontext“, „Der neue Energiekontext“, „Der neue Wachstumskontext“, „The New Banking Context“ und „Der Lateinamerika-Kontext“. Kein Wunder, dass so mancher Beobachter schon nach kurzer Zeit des Davoser Kontextes überdrüssig war, so der Blogger der Financial Times, der spekulierte, dass auch der britische Prinz Andrew sein Statement zum Sex mit einer Minderjährigen in den „neuen globalen Kontext“ stellen würde.


Dabei ist das diesjährige WEF-Motto, das auf die grundlegenden Verschiebungen in den internationalen Kräfteverhältnissen und die neuen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Unsicherheiten verweist, gar nicht so schlecht. Doch hörte man dazu am ersten Tag ebenso wenig Neues wie in jenem Jahr, als der Slogan von Davos großspurig die „Große Transformation“ verkündete. Es kann sein, dass nach 45 Jahren Davos die Luft aus dem Treffen derjenigen raus ist, die sich selbst hochtrabend als die Elite der Weltpolitik und Weltwirtschaft sehen. Des Davoser Kontextes überdrüssig scheinen wohl auch die Organisatoren des Public Eye-Lifetime-Awards zu sein, die ihren Schmähpreis an die verantwortungslosesten Konzerne dieses Jahr zum letzten Mal verleihen und dies mit eine „WEF-Requiem“ verbinden wollen.

Gut ist das WEF allerdings immer noch, um ein paar Dinge über das zu erfahren, was uns im vor uns liegenden Jahr so erwartet. So vernahm man staunend, dass sich die türkische G20-Präsidentschaft 2015 dafür einsetzen will, die G20 zum Instrument für eine „neue Weltordnung der Inklusion“ zu machen. „Inclusiveness“ soll u.a. dadurch hergestellt werden, so der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu in Davos, dass die Nicht-G20-Länder wie die Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen (LIDCs) besseren Zugang zur G20 bekommen, Themen wie Ernährungssicherheit und Ungleichheit auf die Tagesordnung kommen. Auch für mehr Frauenpartizipation soll sich die G20 stark machen. Dies alles mag unter dem Stichwort „Window dressing“ verbucht werden. Aber aufhorchen ließ der Hinweis Davutoglus, dass die Transatlantische Handels- und Investment-Partnerschaft (TTIP) in ihrer exklusiven Form auch gegen die Türkei gerichtet ist, die sich in einer Zollunion mit der EU befindet.

* Wer Lust hat, das WEF in Davos live zu verfolgen, kann das >>> hier tun.

Keine Kommentare: