6. November 2012

Wie die G20 hinter den eigenen Zielen hinterher hinken

Jetzt haben wir es also schwarz auf weiß und quasi amtlich: Die G20-Staaten hinken an allen Ecken und Enden hinter ihren eigenen Beschlüssen zur Regulierung der Finanzmärkte hinterher. In „Fortschrittsberichten“ und einem Brief des Vorsitzenden des Finanzstabilitätsrats (FSB), des kanadischen Zentralbankchefs Mark Carney, an die Finanzminister und Notenbank-Gouverneure der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer werden die Rückstände, wenn auch teilweise in verklausulierter Finanzdiplomatensprache, detailliert aufgelistet. So ist von „ungleichen Fortschritten“ bei der Lösung des „Too-big-to-fail“-Problems die Rede. Viele der 28 global systemrelevanten Finanzinstitute (GSifis) werden es nicht schaffen, bis zum Ende des laufenden Jahres ihre „Living wills“ – Rettungs- bzw. Abwicklungspläne im Falle einer Krise – fertig zu stellen. Sie erhalten nun sechs Monate mehr Zeit. Auch was die neuen Basel-III-Vorschriften der Rücklagebildung betrifft, werden es gerade die Herkunftsländer der größten Banken versäumen, diese bis Januar 2013 in nationales Recht umzusetzen.

Besonders wenig ist bislang passiert, um die sog. Schattenbanken, Hedgefonds und Versicherungen einer öffentlichen Kontrolle zu unterstellen. Hier schlägt das FSB jetzt vor, ein Set von Regeln bis zum G20-Gipfel im nächsten September in St. Petersburg zu erarbeiten und zu verabschieden. Wenn dieser Prozess jedoch so verläuft wie die Regulierung außerbörslich gehandelter Derivate („OTC“), dann wird auch hier nichts so heiß gegessen wie gekocht. Bei den OTC-Derivaten war ursprünglich vorgesehen, alle diese Geschäfte über zentrale Clearingstellen laufen zu lassen. Wie das FSB jetzt berichtet, planen acht der 25 FSB-Mitglieder, statt verbindlicher Regeln lediglich „Anreize“ dafür zu schaffen, dass sich die OTC-Geschäften clearen lassen.

Während in der Finanzmarktregulierung bestenfalls die Hälfte der selbst vorgezeichneten Strecke zurückgelegt wurde, haben der britische und der deutsche Finanzminister George Osborne und Wolfgang Schäuble am Rande der G20-Tagung in Mexiko-Stadt eine Initiative angekündigt, auch das Problem der konzerninternen Transferpreise in den Griff zu bekommen, die im Zentrum der Steuervermeidungsstrategien der Transnationalen Konzerne stehen. Dies wäre in jedem Fall eine sinnvolle Ergänzung der Finanzmarktreformen, und man darf gespannt sein, wie die erste Skizze der Initiative aussehen wird, die die OECD bis zur G20-Finanzministertagung im kommenden Februar – dann schon unter russischer Präsidentschaft – vorlegen soll.

Gäbe es nicht das Drängen des FSB und die Initiativen von Einzelstaaten – die Fortschritte der mexikanischen G20-Präsidentschaft wären noch magerer ausgefallen, als sie ohnehin schon sind. Immerhin hat das letzte Treffen der Finanzminister unter mexikanischer Ägide eine gewisse Lockerung der fiskalischen Konsolidierungsziele des Toronto-Gipfels (Reduzierung der Haushaltsdefizite der Industrieländer um 50% bis Ende 2013) gebracht. Im Kommuniqué des Treffens wird eingestanden, dass es derzeit nur „mäßiges Wachstum (gibt) und die Abwärtsrisiken immer noch erhöht“ sind. Die Finanzminister und Zentralbankchefs versichern deshalb alles zu tun, was notwendig ist, um die Gesundheit und das Wachstum der Weltwirtschaft zu stärken – darunter auch „zu gewährleisten, dass das Tempo der fiskalischen Konsolidierung angemessen ist, um die Erholung zu unterstützen“.

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