10. August 2012

Debatte neu belebt: Ethanol contra Lebensmittel

Der Generaldirektor der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), José Graziano da Silva, hat die USA aufgefordert, ihre offiziell unterstützte Produktion von Agrartreibstoffen herunterzufahren, um einer erneut drohenden Lebensmittelpreiskrise zuvorzukommen. Da die USA nahezu die Hälfte der globalen Getreideexporte stellen, sind die potentiellen Auswirkungen auf die Weltagrarmärkte beträchtlich. Die im Mittleren Westen der USA herrschende extreme Dürre mit den höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen hat die Preise für Mais, Sojabohnen und Weizen seit Juni d.J. bereits um 30 bis 50% nach oben getrieben.

Graziano da Silva weist in einem Financial-Times-Artikel von heute zusätzlich darauf hin, dass in den USA trotz der beträchtlichen Ernteschäden rund 40% ihrer Maisproduktion in die Herstellung von Ethanol gehen und damit als Nahrungsmittel nicht mehr zur Verfügung stehen. „Eine sofortige, zeitlich befristete Aussetzung des Ethanolmandats (des US-Kongresses; RF) würde den Märkten Luft verschaffen und könnte einen höheren Anteil der Ernte für Nahrungs- und Futtermittel bereitstellen.“

Graziano da Silvas Intervention ist willkommen, da sie eine Debatte neu belebt, die schon anlässlich der Preissprünge 2008/09 und 2011 geführt wurde, aber ohne dass sich Wesentliches änderte. Sie dürfte nicht zuletzt die Agrarlobby in den USA weiter spalten, wo die Anbauer von Getreide von steigenden Nahrungsmittelpreisen profitieren, während Viehzüchter höhere Input-Kosten hinnehmen müssen, was mit Blick auf die kommenden Präsidentschaftswahlen nicht ganz unwichtig ist. Autofans weisen jedoch darauf hin, dass sich die Benzinpreise durch den höheren Ethanolanteil verbilligt haben.

Graziano da Silva hat allerdings ein Glaubwürdigkeitsproblem, da er als Brasilianer mehrfach – zuletzt bei seinem Amtsantritt am 1.1.2012 – die These von der „guten“ und der „schlechten“ Ethanolproduktion vertreten hat. Diese behauptet, dass die Herstellung von Ethanol aus Zuckerrohr in Brasilien nicht auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion gehe. Das stimmt jedoch nur teilweise: Auch die Zuckerrohrexpansion hat ihre Probleme; sie verdrängt die Viehwirtschaft weiter in den Norden – und damit in den Regenwald – und verstärkt die Monokulturisierung (>>>Agrartreibstoffe: Keine bedingungslose Kampfansage).

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