11. Januar 2012

London ./. Eurozone: Ringen um die Tobin-Steuer

Dagegen war man schon immer. Während die deutsche FDP der Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) nur zustimmen will, wenn die Briten mitmachen (so sagen Rösler & Co. jedenfalls), ist die Regierung in London nur dazu bereit, wenn die ganze Welt mitmacht (so sagt jedenfalls Cameron). In Wirklichkeit wollen sie aber eher überhaupt keine Besteuerung des Finanzsektors, und so nimmt es nicht Wunder, dass jetzt, wo sich die Entscheidung zuspitzt, fast täglich neue Studien und Stellungnahmen lanciert werden, die im Falle der Einführung einer FTT das Schlimmste für die einführenden Länder, ihr Wachstum und ihre Beschäftigung und vor allem für ihre Finanzplätze prophezeien.

Hinter diesem durchsichtigen ideologischen Schlagabtausch verbarg sich im Falle der britischen Regierung freilich bislang das Kalkül, im Zweifelsfalle werde der Finanzplatz London direkt und indirekt profitieren, wenn die FTT beispielsweise in der Eurozone eingeführt wird. Dies deshalb, weil das Kapital – bekanntlich ein scheues Reh – seine diesbezüglichen Geschäfte in die City of London und anderswohin verlegen werde, wo seine „Freiheit“ noch nicht eingeschränkt ist. Inzwischen schwant den Protagonisten Londons allerdings, dass dieses Kalkül, also die Aneignung der Vorteile der Kapitalflucht, nicht so ohne weiteres aufgehen wird. So sehen sie sich „einer konstanten Attacke Brüssels“ ausgesetzt. Weitere Zusammenstöße der Art, wie wir sie auf dem letzten EU-Gipfel erlebt haben, sind daher vorprogrammiert.

Inzwischen haben die Brüsseler Experten nämlich nach Wegen gesucht, wie der erwarteten Kapitalflucht der Boden entzogen werden kann. In der letzten Woche zitierte die Financial Times einen „Diplomaten der Eurozone“ mit dem Satz: „Es ist klar, dass eine Regelung auf der Ebene der Eurozone, so sie denn notwendig würde, auf eine Weise gestaltet werden würde, die keine unfairen Vorteile für London mit sich bringen würde, wenn dieses nicht mitmacht.“ Schon im FTT-Vorschlag der Kommission war das sog. Sitzland-Prinzip enthalten, wonach Finanzgeschäfte dort zu besteuern sind, wo sich der Hauptsitz des Akteurs befindet. Die Deutsche Bank könnte also alle möglichen Finanzkontrakte in London handeln – die darauf fällige Steuer müsste in Deutschland entrichtet werden. Auch Derivate könnten – ungeachtet dessen, wo sie gehandelt werden – in der Eurozone besteuert werden, wenn sie in Euro denominiert sind. Dann müsste nicht einmal der Firmensitz in einem Euroland liegen. – Die täglich zahlreicher werdenden Anhänger der FTT sollten sich durch das aktuelle Säbelrasseln also keinesfalls ins Bockshorn jagen lassen. Politischer Unwille und ökonomischen Interessen sind das eine – Machbarkeit und Praktikabilität das andere. Wie heißt es noch im Volksmund? Wo eine Wille ist, ist auch ein Weg.

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