22. Januar 2012

Davos: Sorglos und selbstvergessen durch den Schnee

Das alljährliche Weltwirtschaftsforum in Davos gilt als das wohl aufgeklärteste und weitsichtigste Kapitalistentreffen der Welt. Doch dieser Ruf besteht, wenn überhaupt, zu Unrecht. Blicken wir zurück ins letzte Jahr. Als größte Überraschung erwischte die versammelten Konzern- und Bankchefs und ihre Claqueure der sog. Arabische Frühling. Er war in dem monatelang und aufwendig vorbereiteten Programm gar nicht vorgesehen. Die Stimmung der Finanzjongleure hätte angesichts der wieder rund laufenden Geschäfte kaum besser und sorgloser sein können. Doch schon knapp ein halbes Jahr später erschütterte ein neuerliches Beben die globalen Finanzmärkte und machte klar, dass die Krise noch immer nicht zu Ende war. Gründlicher könnten Prognosen und Stimmungen nicht danebenliegen.

Und in diesem Jahr? Das Motto des Treffens, das am Mittwoch beginnt, ist aalglatt wie immer: „The Great Transformation: Shaping New Models“ („Die große Transformation: Gestaltung neuer Modelle“) und könnte sicher auch im nächsten Jahr noch Verwendung finden. Die Vorbereitungslektüre mag in diesem Jahr zu etwas mehr Nachdenklichkeit anregen: Als größte Gefahr für die Wirtschaft hat der Global Risks Report 2012 die ständig zunehmende Ungleichheit identifiziert. Doch schon jetzt steht fest, dass auch das diesjährige WEF an dieser Ungleichheit nichts, aber auch gar nichts ändern wird. In einem Call to Action warnt die Global Issues Group des Forums, der die Führer der bedeutendsten internationalen Organisationen angehören (von Lagarde bis Gurría, von Somavia bis Zoellick und Lamy), davor, durch übertriebene Sparmaßnahmen Wachstum und Arbeitsplätze zu gefährden. Doch auch hier wird man von Davos keine Trendwende erwarten können.

Dazu „passt“, dass ausgerechnet die Chefideologin der schwäbischen Hausfrauenphilosophie, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, am Mittwoch Abend die Eröffnungsrede des Forums halten wird. Merkel hat in Davos schon öfters Dinge verkündet, die binnen kurzer Zeit Schall und Rauch waren, etwa ihr Plädoyer für eine Globale Charta der nachhaltigen Entwicklung und für einen Weltwirtschaftlichen Sicherheitsrat, von dem heute selbst im Kanzleramt kaum jemand noch was weiß. Da mag der Gründer und Chef des WEF, Klaus Schwab, sogar kapitalismuskritische Töne anschlagen: „Der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form passt nicht länger zu der Welt von heute. Wir haben versäumt, die Lehren aus der Finanzkrise von 2009 zu ziehen. Eine globale Transformation ist dringend notwendig und sie muss mit der Wiederherstellung eines globalen Sinns für soziale Verantwortung beginnen“, so Schwab. Doch das Einzige, was einem dazu einfällt, ist der Satz: Das wäre doch wirklich zu schön, um wahr zu sein!

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