24. März 2011

EU-Gipfel: Gläubigerschutz statt Opferschutz

Der Krisenmechanismus, den die EU auf ihren Gipfel heute und morgen beschließen will, setzt auf die Refinanzierung der Krise statt auf einen nachhaltigen Entschuldungsmechanismus. Bei dem aktuellen Treffen des Europäischen Rates soll ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise beschlossen werden. Doch Entschuldungsorganisationen beklagen das Fehlen eines Staateninsolvenzverfahrens, das im Falle einer Staatspleite einen geregelten Ausweg aus der Überschuldung bietet.

Für Jürgen Kaiser vom Entschuldungsbündnis erlassjahr.de hat Deutschland seine Chance für eine grundlegende Änderung des Schuldenmanagements im Euroraum nicht genutzt. Die angekündigte Schaffung eines geregelten Verfahrens zur Bewältigung von Staatsschuldenkrisen sei zu einem schwachen Anhängsel der Rettungsfinanzierung verkümmert: Erst nachdem kostenintensive Rettungskredite geflossen sind, sollen die sogenannten Collective Action Clauses (CACs) greifen. Diese bedeuten jedoch nur, dass die Mehrheit der Gläubiger die Minderheit zu Umschuldungsmaßnahmen zwingen kann. Das dringend benötigte transparente und berechenbare Verfahren für den Fall einer Staateninsolvenz ist dies definitiv nicht.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll 2013 als Nachfolger des provisorischen Euro-Rettungsschirms (ESFS) in Kraft treten. Die ursprünglich geforderte Beteiligung des privaten Sektors an den Kosten einer Schuldenkrise wurde weitgehend durch die Schaffung von Krisenfinanzierungsmechanismen verdrängt. Somit scheint die von führenden Wirtschaftsexperten und vielen Politikern geforderte Schaffung einer Insolvenzordnung für Pleitestaaten wieder in weite Ferne gerückt. „Warum sollten wir die Strategien, die bereits in der Vergangenheit versagt haben, wiederholen? Faule Kredite mit gutem öffentlichen Geld zu retten versuchen bedeutet in den meisten Fällen eine faktische Insolvenzverschleppung. Ein Schuldenschnitt, an dem auch die Gläubiger beteiligt sind, hätte dagegen eine immense präventive Wirkung“, sagt Kaiser.

Für das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist der ESM ohnehin nicht mehr als ein „Diktat, mit dem die deutsche Regierung ihre Politik der Wettbewerbsfähigkeit rücksichtslos ganz Europa aufdrückt“. Die diskutierten Maßnahmen - von der Verschärfung der Sanktionen ausschließlich gegen Defizitländer bis zur koordinierten Anhebung des Renteneintrittsalters – haben in der Tat nicht das Potential, die Krise zu überwinden. Vielmehr führen sie zur weiteren Spaltung und Polarisierung in Europa. Am Ende könnten alle – Defizit- und Überschussländer – vor einem einzigen Scherbenhaufen stehen.

1 Kommentar:

Rainer Marquardt hat gesagt…

Und das Erschreckende ist, dass ein bisschen Belebung der Aktienkurse und Produktionsplus in unserem Land all diese Erkenntnisse, die vor gerade mal 2 Jahren Allgemeingut zu werden schienen, wieder zu verschütten scheint.