20. Februar 2010

Tabubruch im Paradies

Auch über sieben Monate nach ihrem Erscheinen ist die Diskussion über meine Studie zur Debatte um Steueroasen in Luxemburg noch nicht beendet. Wenn ein Tabu nachhaltig gebrochen wurde, dann hier. In dieser Woche brachte die zweitgrößte Luxemburger Illustrierte ein Interview mit mir. Das Geheimtreffen zwischen den Finanzministern Deutschlands, Luxemburgs, der Schweiz und Liechtensteins, das letzten Sonntag im hiesigen Schloss Senningen stattfand, gab Spekulationen neuen Auftrieb, dass die Ära des Bankgeheimnisses schon bald zu Ende sein könnte. Hier ist das von der „Revue“ aus Platzgründen gekürzte Interview in voller Länge:

Revue: Ist Luxemburg nun eine Steueroase oder nicht?
Rainer Falk: Der Finanzplatz trägt zumindest Züge einer Steueroase, obwohl er sich von den klassischen Steuerparadiesen unterscheidet. Dafür sprechen Sonderrechte, die nicht ansässigen Ausländern und ausländischen Unternehmen eingeräumt werden. Das beginnt mit dem Bankgeheimnis und geht bis zu einem bestimmten Firmenrecht, das die Ansiedlung von Vermögensverwaltungsgesellschaften und anderen Finanzunternehmen zu lukrativen Bedingungen möglich macht. Die Übergänge zwischen Steuerwettbewerb und der Anlockung von Firmen wegen Steuervorteilen sind fließend.

Luxemburg ist nicht mehr auf der grauen Liste der Steueroasen, nachdem die Regierung Doppelbesteuerungsabkommen mit mehreren Staaten unterzeichnete.
Dies gilt aber nur im Rahmen der OECD-Standards. Doch diese Steueroasenliste und die Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind, offen gesagt, ein Witz. Auch der Europäischen Kommission und dem Europaparlament reichen sie nicht mehr. Dass die Doppelbesteuerungsabkommen, die den Informationsaustausch auf Anfrage enthalten, nicht ausreichend sind, zeigt die Diskussion um die in Deutschland aufgetauchten CDs mit Daten mutmaßlicher Steuersünder. Diese Dateien bräuchten wir nicht, wenn wir einen automatischen Informationsaustausch hätten.

Ist die Vorgehensweise legitim, dass sich ein Staat CDs besorgt?
Der eigentliche Skandal ist, dass der Staat aufgrund der aktuellen Rechtslage gar nicht anders handeln kann, um seine Steuergelder einzutreiben. Wenn es dazu dient, den Druck auf die Steuerparadiese zu erhöhen und an legitime Einnahmen zu kommen, ist es durchaus gerechtfertigt.

In ihrer letzten Sommer vorgelegten Studie schätzen sie, dass Luxemburg in Entwicklungsländern Steuerausfälle von jährlich 2,5 Milliarden US-Dollar verursacht.
Weil das Bankgeheimnis in der alten Form bald der Vergangenheit angehört, wird versucht, aus Entwicklungs- und Schwellenländern Kapital anzulocken. Diese Länder sind vor allem deshalb interessant, weil im Verkehr mit ihnen das Bankgeheimnis noch länger gelten wird. Es sei denn, wir kommen global zu einem Steuerabkommen, was mehr Gerechtigkeit bringt.

Luxemburgs Entwicklungshilfe wird als mustergültig gepriesen.
Das bestreite ich auch gar nicht. Nur wird diese Vorreiterrolle in Frage gestellt, wenn das Land auf der einen Seite gibt und auf der anderen wieder nimmt. Deshalb brauchen wir eine neue Politik der internationalen Steuergerechtigkeit. Zusätzlich zu bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen brauchen wir multilaterale Lösungen, die ein gleiches Spielfeld für alle schaffen. Wenn Luxemburg bereit ist, seinen Partnern in der EU oder den USA Informationsrechte einzuräumen, dann müsste es auch bereit sein, dieselben Rechte auch den Entwicklungsländern einzuräumen und zum Beispiel dem nigerianischen Staat darüber Auskunft zu geben, was es mit den Millionen von Sani Abacha auf sich hat.

Das Geld des verstorbenen früheren nigerianischen Diktators liegt immer noch auf einer Bank in Luxemburg.
Ähnlich schwierig ist es in der Schweiz, wo das Geld ehemaliger Despoten wie zum Beispiel die Milliarden des früheren haitianischen Diktators Duvalier nicht freizukriegen sind. Hier braucht es nicht zuletzt mehr Transparenz.

Ihre Studie wurde heftig kritisiert. Der Bankenverband ABBL, Regierung und Medien warfen Ihnen vor, mit falschem Zahlenmaterial gearbeitet zu haben.
Ich verwendete in der Tat andere Statistiken als beispielsweise die ABBL und ging davon aus, was global an Offshore-Vermögen geschätzt wird. Luxemburg hat in diesem Bereich einen Marktanteil von 15 Prozent, was die letzte Luxemburg-Studie der OECD bestätigt. Die ABBL geht von den Erhebungen vor Ort aus und sagt, dass in Luxemburg weniger als 300 Milliarden Euro im Private Banking Sektor angelegt sind. Einen Beleg, der gegen meine Zahlen spricht, habe ich bislang nicht gesehen.

Der Cercle hat die Studie jedoch zurückgezogen.
Er hat die Studie in Auftrag gegeben und geriet nach der Veröffentlichung stark unter politischen Druck. Daraufhin knickte er ein. Eigentlich hätte der luxemburgische Staat «Mea Culpa» sagen und über einen Neuanfang in der internationalen Steuerpolitik nachdenken müssen. Das erfolgte jedoch nicht. Stattdessen ging und geht er nach dem Prinzip vor: erst einmal alles abstreiten, und Zugeständnisse erst machen, wenn es gar nicht mehr anders geht.

Haben Sie ein Tabu gebrochen?
Es war lange Zeit ein Tabu. Aber das Thema kann nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden.


Übrigens: Beim Informellen Treffen der EU-Entwicklungsminister in dieser Woche in Spanien sagte die dort für Entwicklungspolitik zuständige Ministerin Soraya Rodriguez, die Wirtschaftskrise sei keine Entschuldigung für die Nichteinlösung des 0,7%-Ziels bei der Entwicklungshilfe. Dennoch müsse man zusätzliche Strategien entwickeln, um den armen Ländern zu mehr Einnahmen zu verhelfen, etwa den Kampf gegen den illegalen Abfluss von Kapital. Nach verschiedenen Studien des Europaparlaments und der norwegischen Regierung fließen für jeden Dollar, der die Dritte Welt als Entwicklungshilfe erreicht, acht bis zehn Dollar auf illegale Weise wieder ab. – Im Vergleich dazu war mein Vergleich der Luxemburger Entwicklungshilfe mit den Steuereinnahmeverlusten aufgrund der hierzulande angelegten und in ihren Herkunftsländern unversteuerten Gelder (1:4-5) geradezu bescheiden.

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