11. Juni 2009

UN-Menschenrechtsrat: USA rein, Deutschland raus

Gastkommentar von Klaus Hüfner

Am 12. Mai 2009 wurden 18 Staaten in den aus 47 Mitgliedern bestehenden UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) auf drei Jahre wieder- beziehungsweise neugewählt. Erstmals werden sich ab 19. Juni 2009 Belgien, Kirgistan, Norwegen, Ungarn und die USA an der Arbeit des Menschrechtsrats beteiligen, wobei die USA in geheimer Abstimmung 167 von 191 gültigen Stimmen erhielten und damit deutlich über der notwendigen einfachen Mehrheit von 97 Stimmen lagen. Die Kandidatur der USA kam angesichts der bisherigen Kritik an der Arbeit des Menschenrechtsrats überraschend, wie der folgende Rückblick deutlich macht.

Als die UN-Generalversammlung am 15. März 2006 nach außerordentlich zähen Verhandlungen die Einrichtung des Menschenrechtsrats mit 170 Ja-Stimmen und vier Nein-Stimmen (USA, Israel, Palau und die Marschallinseln) bei drei Enthaltungen (Venezuela, Iran, Belarus) beschlossen hat, waren die Meinungen sowohl der Regierungen als auch der NGOs geteilt. Das angestrebte Ziel, mit der Ersetzung der UN-Menschenrechtskommission durch den UN-Menschenrechtsrat das UN-Menschenrechtsschutzsystem deutlich zu stärken, erschien angesichts der notwendigen Kompromisse zumindest zweifelhaft.

Während die EU-Staaten mit der Kompromisslösung einverstanden waren, obwohl als jährliche Sitzungszeit lediglich zehn Wochen vorgesehen sind und die Wahl der Mitglieder durch die Generalversammlung nicht mit Zwei-Drittel-Mehrheit, sondern mit einfacher Mehrheit erfolgt, reagierten die USA mit einer massiven Kritik. Sie hielten eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl der Mitglieder und die einfache Mehrheit für den Ausschluss von Mitgliedern bei schweren Menschenrechtsverletzungen für notwendig, und nicht umgekehrt. Außerdem wollten sie einen noch kleineren Rat, wobei aber den fünf Ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats eine Dauermitgliedschaft zugebilligt werden sollte. Ferner sollten Staaten, über die der UN-Sicherheitsrat Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen verhängt hat, automatisch ihre Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat verlieren. Für die USA galt die Forderung „Wer foltert, darf nicht rein“, wie es in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 6. März 2006 hieß.

Trotz des Neuzuschnitts der Regionalquoten, die zu einem Sinken des Anteils der westlichen Staatengruppen von 18,9 auf 14,9% führte, wurden von den EU-Staaten als positive Änderungen unter anderem die Erhöhung der jährlichen Gesamtsitzungszeit von sechs auf zehn Wochen, die Positionierung des Rates als Nebenorgan der Generalversammlung, die neuen Wahlmechanismen sowie die periodische Überprüfung der Menschenrechtssituation in allen Mitgliedstaaten hervorgehoben, so dass sie im Gegensatz zu den USA die ausgehandelte Kompromisslösung akzeptieren konnten.

Dass die USA den Menschenrechtsrat nicht mehr boykottieren, sondern sich einer „Reform von innen“ anschließen, weckt Hoffnungen. Zwar hat sich am Kräfteverhältnis im Menschenrechtsrat mit dem Eintritt der USA nichts verändert, denn China, Kuba, Russland und Saudi-Arabien wurden auf weitere drei Jahre wiedergewählt. Aber mit dem Eintritt der USA wird eine Abkehr von der Politik der Bush-Administration demonstriert. Wenn die USA eine Führungsrolle übernehmen wollen, müssen sie nicht nur mit den höchst umstrittenen Militärtribunalen für Terrorverdächtige in Guantanamo Schluss machen, sondern auch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte stärker in den Mittelpunkt ihrer Politik rücken. Ob sich der sog. Obama-Effekt positiv auf die Arbeit im Menschenrechtsrat auswirken wird, bleibt jedoch abzuwarten. Obamas Rückzieher, diese Sondergerichte lediglich reformieren zu wollen, hat Verwirrung und Empörung ausgelöst. Dass die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte eine Bestrafung von Folter sowie eine Untersuchung umstrittener Aktivitäten, wie die CIA-Gefangenenflüge und Verhörmethoden, öffentlich gefordert hat, hat sich sicher nicht positiv auf das politische Klima zwischen den Vereinten Nationen und den USA ausgewirkt.

In der westlichen Gruppe haben Deutschland, Kanada und die Schweiz nicht erneut kandidiert. Stattdessen nehmen Belgien, Norwegen und die USA die Plätze ein. Die Kandidatur der USA führte dazu, dass Neuseeland seine Kandidatur zurückzog. Damit waren die (Wahl-)Ergebnisse für diese Gruppe vorprogrammiert. Warum Deutschland nicht wieder kandidierte, hätte zumindest einer öffentlichen Erklärung bedurft. Selbst wenn es sich um eine EU-interne Absprache handeln sollte, wäre eine öffentliche Bewertung der bisherigen Arbeit des Menschenrechtsrats durch die Bundesregierung notwendig gewesen.

Prof. Klaus Hüfner ist Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN); sein Kommentar erschien auch auf der DGVN-Website.

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