29. April 2008

Zweckentfremdung: Entwicklungshilfe für Offshore-Fonds

Wie aus einem internen Bericht der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) hervorgeht, hat sich diese an privaten Investmentfonds beteiligt, die größtenteils auf den Cayman Islands angesiedelt sind. NGOs wie urgewald beobachten seit längerem, dass Entwicklungsbanken im Rahmen ihrer Privatsektorstrategien in sog. Private-Equity-Firmen investieren. Der jetzt öffentlich gewordene Bericht der internen Evaluierung der ADB bestätigt solche Befürchtungen. Die ADB hat keinen Einfluss auf die Projekte, die aus den Fonds finanziert werden. Sie ist nirgends mit Sitz und Stimme in den Entscheidungsgremien vertreten, von einem Vetorecht ganz zu schweigen. Außerdem gibt es keine Ausstiegsklausel, so dass die ADB auf Gedeih und Verderb an die Fonds gebunden ist.

Laut Prüfbericht ist nicht gewährleistet, dass keine Projekte finanziert werden, die auf der Ausschlussliste der ADB stehen (Atomkraftwerke, Waffen usw.). Die Umwelt- und Sozialstandards der ADB, die den Entwicklungserfolg von Projekten absichern sollen, werden nicht angewandt. Zwangsumsiedlungen und Umweltzerstörung durch die Fondsprojekte sind straflos möglich, ohne dass die Betroffenen eine Chance auf Entschädigung hätten.

Die ADB ist derzeit dabei, ihre Standards zu ändern. Urgewald hat gemeinsam mit anderen NGOs gegen die drohende Abschwächung der Standards protestiert. Jetzt werden die Hintergründe dafür deutlich: Die ADB will u.a. die aktuelle, illegale Praxis legalisieren und ihre Fondsgeschäfte von Umwelt- und Sozialablagen ausnehmen. – Dem verantwortungslosen Umgang mit Entwicklungsgeldern muss umgehend Einhalt geboten werden, fordert urgewald. Die AktivistInnen erwarten von der Bundesregierung, dass sie reagiert und vorerst jegliches Geld für die ADB einfriert.

21. April 2008

EPAs: Teure Partnerschaft mit der EU

Die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifischer Raum) stellen nach den Erkenntnissen einer neuen Oxfam-Studie eine ernste Gefahr für die Entwicklung der armen Länder dar. Die Studie Partnership or Power Play?, die heute am Rande der XII. UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Accra/Ghana vorgestellt wurde, rechnet vor, dass die Kosten enorm sein werden: Allein durch Zollsenkungen drohen den afrikanischen Staatshaushalten jährliche Einnahmeausfälle von 227 Mio. €. Die zusätzlichen Anpassungskosten an die Marktöffnung würden für alle AKP-Staaten zusammen voraussichtlich 8 Mrd. € betragen.

Oxfam empfiehlt eine unabhängige Evaluierung und Neuverhandlungen problematischer Aspekte der Abkommen, bevor diese endgültig unterzeichnet werden. Nach Einschätzung internationaler Rechtsexperten sind die bisherigen Interimsabkommen rechtlich nicht bindend, so dass eine Überarbeitung problemlos möglich wäre.

Die Oxfam-Studie hat die vorliegenden Abkommen untersucht. Der Analyse zufolge hat die EU nur drei AKP-Staaten eine Übergangsperiode von 25 Jahren für die Marktöffnung zugestanden - und dies auch nur für wenige Produkte. Den Entwicklungsländern bleibt wenig Spielraum für den Schutz ihrer Märkte. Die Abkommen verlangen zudem, dass die gegenwärtigen Zölle auf ihrem derzeitigen Niveau eingefroren werden. Dies gilt selbst für Produkte, deren Liberalisierung erst in zehn oder zwanzig Jahren ansteht. Im Fall Ostafrikas sind sogar „sensible“ Produkte betroffen, die für die Ernährungssicherheit und die Beschäftigung im ländlichen Raum eine besonders wichtige Rolle spielen. Das Einfrieren der Zölle verwehrt den AKP-Staaten, einen effektiven Zollschutz einzuführen.

Die geplanten Freihandelsabkommen mit der EU erlauben den AKP-Staaten keine eigenständige Handelspolitik, die lokale Produzenten und ihre Märkte schützt, kritisiert Oxfam. Ein effektiver Zollschutz zum Aufbau der einheimischen Lebensmittelproduktion sei angesichts der aktuellen Hungerproteste aber dringender denn je. Nach Ansicht der Hilfsorganisation müsst Europa seine Märkte für alle Exporte aus den AKP-Staaten öffnen, ohne seinerseits Marktzugang in den Entwicklungsländern zu verlangen. Faire Abkommen müssten es den Entwicklungsländern erlauben, ihre legitimen wirtschaftspolitischen Interessen zu verfolgen und regionale Integration zu eigenen Konditionen durchzuführen. Nur so könnten die armen Länder ihre Wirtschaftssektoren entwickeln und neue Arbeitsplätze schaffen.

Bis heute haben 20 der 76 AKP-Staaten Interimsabkommen zum Güterhandel mit der EU vereinbart, die 15 Staaten der karibischen Region sogar ein weitere Bereiche umfassendes Freihandelsabkommen. Die EU möchte die Freihandelsabkommen zum Güterhandel bis Mitte 2008 abschließen und im Anschluss Dienstleistungen, Investitionen und andere Bereiche verhandeln.

19. April 2008

Die Hungershow des Präsidenten

Nicolas Sarkozy macht der Grande Nation derzeit nicht so viel Ehre. Mit großem Pomp hat der französische Präsident gestern die Verdoppelung der französischen Nahrungsmittelhilfe angekündigt. Doch, wie der Sprecher von Oxfam France, Sébastian Fourmy, zu Recht einwendet, handelt es sich um ein reines PR-Manöver. Denn gerade ist bekannt geworden, dass Frankreich unter Sarkozy von seinen bereits gegebenen Zusagen, die Entwicklungshilfe (ODA) deutlich zu erhöhen, insgeheim wieder abgerückt ist. Wie ein Sprecher des Ministers für Überseehilfe, Alain Joyandet, einräumte, wurde das Ziel, die französische ODA bis 2012 auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen, klammheimlich wieder auf 2015 vorschoben. Er bestätigte damit Befürchtungen, die schon am Rande von Sarkozys England-Besuch aufgekommen waren (>>> Is Sarkozy planing to cut aid?).

Das passt zu den neuesten OECD-Zahlen, die auch für Frankreich drastische Rückschritte in der Entwicklungshilfe belegen: Die von Paris vergebene ODA fiel von 0,47% 2006 auf nur noch 0,39% 2007. – Überhaupt sind die Ankündigungen der Politiker zur Aufstockung der Nahrungsmittelhilfe, die dieser Tage nicht abreißen, nicht so Ernst zu nehmen. Meistens werden lediglich Mittel aus bestehenden Budgets etwas umgeschichtet oder publicityträchtig einfach nochmal angekündigt – frisches Geld fließt so gut wie nie. So gab die Europäische Kommission kürzlich die „weitgehendste Entscheidung in Sachen Lebensmittelhilfe“ bekannt, die je getroffen worden sei, 160 Mio. €. In Wirklichkeit handelte es sich lediglich um eine einmalige Zahlung aus dem regulären EU-Nahrungsmittelhilfe-Budget, das 2008 bei 223,3 Mio. € und damit nur wenig über dem des Jahres 2007 (220,3 €) liegt.

16. April 2008

Harte Zahlen und wohlfeile Rhetorik der OECD

Der Finanzmarktausschuss der OECD, der am 14./15. April in Paris tagte und dem hohe Beamte aus Zentralbanken, Finanzministerien und anderen Behörden der OECD-Länder angehören, hat in den allgemeinen Ruf nach einer „grundlegenden Reform“ der Finanzmärkte eingestimmt. Es sei nicht länger möglich zu behaupten, wir hätten „das beste aller denkbaren Finanzsysteme“, sagte Adrian Blundell-Wignall vom OECD-Direktorat für Finanzielle und Unternehmensangelegenheiten.

Der Vorsitzende des Ausschusses, Thomas Wieser, Generaldirektor im Wiener Finanzministerium, erklärte nach der Tagung, der derzeitige regulatorische Rahmen spiegele noch die „einfache“ Welt aus der Zeit vor der Globalisierung wider: „Wir müssen einen kooperativen Rahmen für die Finanzmärkte sicherstellen, der die neuen Realitäten in Rechnung stellt und die Stabilität fördert, ohne die Effizienz einzuschränken.“ Die OECD sei einzigartig positioniert, um Reformvorschläge zur Anpassung des Regulationsrahmens an die neue finanzielle Landschaft zu unterbreiten. – Trotz dieser vollmundigen Reformrhetorik beschloss der OECD-Ausschuss aber lediglich die Unterstützung der G7-Empfehlungen vom Wochenende und des jüngsten Berichts des Forums für Finanzstabilität.


Die OECD rechnet damit, dass die Finanzmärkte noch 12-18 Monate brauchen werden, um sich von der gegenwärtigen Krise zu erholen. Die mit der Krise einhergehenden Verluste stuft sie mit 350-420 Mrd. US-Dollar wesentlich niedriger ein als der IWF mit 945 Mrd. US-Dollar. Die IWF-Zahlen (siehe Grafik aus der Financial Times von heute) berechnen Verluste und Abschreibungen auf wesentlich breiterer Basis, während die OECD in einer neuen Studie lediglich Subprime-Kredite und damit verbundene „Produkte“ einbezieht. Wie dem auch sei – die Zahlen und die lange Dauer der Krise fordern geradezu dazu heraus, der wohlfeilen Rhetorik endlich konkrete Vorschläge für ein neues Regulierungsmodell für die Finanzmärkte folgen zu lassen. Im Wettbewerb um die besseren Modelle wird die OECD schon über die G7, das FSF und den IWF hinausgehen müssen, wenn sie mehr als ein Debattierclub sein will.

14. April 2008

Nach der Frühjahrstagung: IWF und Weltbank vor dem Comeback?

Zu früh gefreut haben sich wohl viele NGO-AktivistInnen, die in den letzten Monaten nicht müde wurden zu betonen, wie tief IWF und Weltbank in der Krise stecken. Auf der Frühjahrstagung vom 11.-13. April in Washington wurde eine andere Logik deutlich: Eine globale Dreifachkrise – die Finanzkrise, die Nahrungsmittelkrise und die Klimakrise – ist Wasser auf die Mühlen der Bretton-Woods-Zwillinge und spült neues Geld in ihre Kassen.

Der Mechanismus ist aus der Vergangenheit wohlbekannt: Stets wenn es eine Krise internationalen Ausmaßes zu managen galt, standen die Bretton-Woods-Zwillinge bei Fuß, boten sich als Krisenmanager an, aquirierten neue Aufgaben und neue Finanzmittel und erhöhten so ihr eigenes Gewicht im Zentrum des real existierenden Systems ökonomischer Global Governance. Und so scheint es auch diesmal wieder zu sein.

Noch geschwächt von dem finanziellen Aderlass, den sie mit der vorzeitigen Rückzahlung einiger Großkredite hinnehmen mussten, und dem allgemeinen Vertrauensverlust in Folge fragwürdiger Politikkonzepte, arbeiten IWF und Weltbank an ihrem Comeback. Geschickte Anpassungsmaßnahmen, der (halbherzige) Einstieg in Reformen und frisches Personal an der Spitze sollen dem Comeback den Weg bereiten. Noch bevor die Reformen so richtig begonnen haben, kommt den internationalen Finanzinstitutionen eine globale Dreifachkrise zu Hilfe, die auf neue Aufgaben hoffen lässt ...

... meine ausführliche Analyse lesen Sie unter www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org

12. April 2008

Die Weltbank macht Klima -- prima?

Als “Wissensbank” präsentiert sich die Weltbank gern der globalen Öffentlichkeit. Klebt am Washingtoner Glas-und Betonkasten bald auch das Etikett einer “Umweltbank”? Die Arbeit an neuen Hochglanzbroschüren hat schon begonnen. Die Weltbank als Klimaretter? Oder das Thema Klima als Rettungsring für die Relevanz und Finanzkrise der Bank der letzten Jahre? Seit Jahren schon ist die Weltbank in der Carbon-Finanzierung aktiv – und macht dabei selbst kräftige Gewinne. Jetzt wird nach- und neu aufgelegt.

Bei der Frühjahrstagung werden die Entwicklungs- und Finanzminister im IWF/Weltbank-Entwicklungskomitee morgen den Entwurf eines Strategierahmens für die zukünftige Arbeit der Weltbankgruppe zu Klimawandel und Entwicklung diskutieren. Nach dem Gender-Mainstreaming wird Klima-Mainstreaming jetzt zum neuen Schlagwort. “Wir wollen Klima in allem was wir tun mitdenken”, verspricht Weltbank-Klimazar Warren Evans. Daneben sollen eigene Forschung, Technologie-Transfer, innovative Marktmechanism (natürlich!) und zinsgünstige Kredite die Resource- und Aktionslücke schliessen, die die Klimakonvention der Vereinten Nationen - zumindest bis nach einer Entscheidung über ein Post-Kioto-Regime 2012 - nach Ansicht der Banker und der Briten, Amerikaner und Japaner nicht füllen kann.

Diese drei Staaten sind denn auch die Drahtzieher hinter dem finanziellen Herzstück der Weltbank-Klimastrategie, den vorgeschlagenen Klimainvestitionsfonds. Rund 7-8 Milliarden € soll über drei bis fünf Jahre zur Verfügung stehen, mehr, wenn sich weitere Länder beteiligen.

Die vermeintliche Geber-Largesse stößt KlimaexpertInnen und Bank-BeobachterInnen aus der Zivilgesellschaft, aber auch den Entwicklungsländern allerdings sauer auf. Sie kritisieren, das die Weltbank-Klimafonds gezielt versucht, den Klimaprozess der Vereinten Nationen zu torpedieren und die Geldgeber Entwicklungsländern zuwenige Mitspracherechte geben wollen. Daneben wird die Großzügigkeit der Gelder angezweifelt: die Klimainvestionsfonds sollen als öffentliche Entwicklungshilfe gelten – aber zusätzlich zu anderen ODA-Versprechen, zum Beispiel zur Erreichung der Millenniumentwicklungsziele?

Letzlich ist es aber vor allem die Janusköpfigkeit der Weltbank in Sachen Entwicklungprojekte, die in Sachen “Umweltbank” die Vermutung nahelegt, dass es sich um einen massiven Etikettenschwindel handelt. Denn in den letzten Jahren hat die Weltbank nicht weniger aber deutlich mehr klimaschädliche Energieprojekte unterstützt. Da war ein rund 300-Millionen-€-Kredit für ein indisches Riesenkohlekraftwerk, den der Privatsektorarm der Weltbank vor kurzem gewährte, eigentlich nur noch das ultimative I-(wie Klima-)Tüpfelchen ...

Communiqués und Statements: Nicht viel Neues unter Washingtons Sonne

Jetzt sind wieder diejenigen gefragt, die der Kunst des Zwischen-den-Zeilen-Lesens mächtig sind. Es ist die Zeit der Communiqués und Statements. Das der G7-Finanzminister und Zentralbanker bringt erwartungsgemäß nicht viel Neues. Einen aggressiveren Tonfall als früher erblickt das Wall Street Journal in folgender Passage zur Währungspolitik: "Since our last meeting, there have been at times sharp fluctuations in major currencies, and we are concerned about their possible implications for economic and financial stability." Die Wall Street-Redakteure interpretieren das als Zeichen für die Bereitschaft der G7, eine untere Grenze einzuziehen, unter die der Dollar nicht fallen dürfe.

Die Runde der G7 hat die Empfehlungen des Forums für Finanzstabilität (FSF) gebilligt, darunter die Erhöhung der Rücklagevorschriften für die Banken, mehr Transparenz, ein verbessertes Risikomanagement und objektivere Bewertungen durch die Rating-Agenturen. Das soll die Anreize der Banken verringern, mit den hochkomplexen Kreditprodukten zu hantieren, die allgemein für den Ausbruch der jüngsten Finanzkrise verantwortlich gemacht werden. Alles dies soll im Wesentlichen über die nationalen Aufsichtsgremien durchgesetzt werden – von Plänen oder Initiativen für eine koordinierte internationale Intervention gegen die Krise ist nicht die Rede.

Demgegenüber unterstreicht das Communiqué der Gruppe der 24, die die Entwicklungsländer in den Bretton-Woods-Institutionen vertritt, dass eine „aktive politische Koordination und internationale Zusammenarbeit entscheidend sind, um eine noch größere Krise zu vermeiden“. Der IWF habe eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer kooperativen Antwort auf die gegenwärtige Krise und bei der Neugestaltung der globalen Finanzarchitektur zu spielen. Wörtlich heißt es: „Die Minister unterstrichen, dass der IWF dringend die Überwachung der fortgeschrittenen Ökonomien verbessern muss, indem er seine Analyse der makro-finanziellen Verflechtungen und deren Spillover-Effekte auf andere Ökonomien verstärkt.“

Im Übrigen weist die G24 darauf hin, dass die aktuelle Quotenreform zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung ist. Generell strebt die Gruppe jedoch volle „Parität“ zwischen Industrie- und Entwicklungsländern an, und zwar sowohl im IWF als auch in der Weltbank. Interessant sind darüber hinaus die Warnungen, die das Communiqué an die Adresse der Weltbank in puncto Klimapolitik enthält. Deren aktuelle Versuche, Gelder für Klima-Investitionsfonds zu mobilisieren, müssten berücksichtigen, das die Vereinten Nationen der angemessene Rahmen für internationale Klimapolitik seien. Die G24 betonen das Entwicklungsmandat der Weltbank und lehnen es ab, wenn Entwicklungsgelder in klimapolitische Maßnahmen umgelenkt oder Parallelstrukturen geschaffen werden. Mindestens müssten für die Weltbank-Fonds dieselben Governance-Prinzipien wie für den Anpassungsfonds im Rahmen der Klimarahmenkonvention UNFCC gelten.

11. April 2008

Mangelnde Prognose? Der IWF wehrt sich

Die Kritik, der IWF habe bei der Vorhersage der Subprime-Krise versagt (>>> IWF und Finanzkrise: Einäugig oder vollblind?), hat der Fonds gestern zurückgewiesen. Dominique Strauss-Kahn, der Geschäftsführende Direktor, wies darauf hin, die USA hätten es bis vor kurzem abgelehnt, am Programm des IWF zur Verbesserung der Finanzstabilität teilzunehmen. Washington habe sich ursprünglich geweigert, das „Financial Sector Assessment Programme“ (FSAP), eine gemeinsame Initiative von IWF und Weltbank aus dem Jahre 1999 zu unterschreiben und erst letztes Jahr zugestimmt, dass die Risiken des US-Finanzmarktes in diesem Kontext durch den Fonds evaluiert werden. Die erste Evaluierung der könne jetzt erst 2009 beginnen.

Strauss-Kahn: „Es ist interessant, dass die USA bis vor wenigen Wochen abgelehnt haben, ein FSAP zu haben. Wir können aber nicht für den Mangel an Aufsicht verantwortlich gemacht werden, wenn unser Hauptinstrument dazu in diesem Land gar nicht angewendet wurde.“

Die Retour-Kutsche Strauss-Kahns illustriert die wachsenden Differenzen zwischen der IWF-Führung und der Bush-Regierung über das Ausmaß, in dem global oder durch einzelne Regierungen in die Finanzmärkte interveniert werden müsse, um die aktuelle Krise zu beheben und künftige zu vermeiden. Dass die USA – zumindest solange die konservativen Bush-Leute regieren – kein Interesse an der Abtretung finanzieller Souveränität an eine supranationale Instanz wie den IWF haben, betone ich heute in einem Zeitungsinterview. Einem Strukuranpassungsprogramm für den Fonds mögen sie vielleicht noch zustimmen, eine wie immer geartete Strukturanpassung im eigenen Land mit externer Beteiligung kommt nicht in Frage.

10. April 2008

G7-Finanzminister: Statisten, Gestalter oder Blockierer?

In der Rolle von Statisten möchten die meisten Banker die Finanzminister der Gruppe der 7 (wichtigsten Industrieländer) wohl sehen, wenn diese morgen zu ihrem traditionellen Treffen am Vorabend der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington zusammenkommen. Rechtzeitig verbreiteten das Institute of International Finance (IIF) und sein derzeitiger Vorsitzender Franz Ackermann (Deutsche Bank) gestern die Botschaft: „Wir sind auf dem Weg der Besserung! Wir packen’s selbst an!“ Eine Verhaltenskodex, ein freiwilliger, versteht sich, soll besseres Risikomanagement, mehr Transparenz bei kompliziert strukturierten Produkten sowie Änderungen bei den Bonussystemen für Managern bringen. Mehr staatliche Regulierung sei nicht notwendig.

Doch werden die Finanzminister den Sinn ihres Treffens schon irgendwie anders demonstrieren müssen. Deshalb werden sie einem Set von 65 Maßnahmen ihre Zustimmung geben, das sie vom Forum für Finanzstabilität (FSF) haben erarbeiten lassen und das morgen offiziell vorstellt werden wird. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf mehr Transparenz für die Finanzmärkte, um Risiken früher erkennen und damit künftige Krisen verhindern zu können. Wie das US-amerikanische Finanzministerium vorsorglich verlauten ließ, gebe es aber „keinen Konsens“ über eine öffentliche Intervention in die Märkte, wie sie beispielsweise der IWF unter seinem neuen Direktor Dominique Strauss-Kahn oder auch ein „Option Paper“, das vom FSF für ein kürzliches Treffen in Rom vorbereitet wurde, fordern. Auch dementierten die Washingtoner Gastgeber der G7, dass es ein globales Konzept geben müsse, um auf die aktuelle Finanzkrise zu reagieren. Diese sei in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden. „Das wird zu unterschiedlichen nationalen Antworten führen“, sagte Unterstaatssekretär David McCormick.

Insgesamt lässt sich daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass die G7 seit ihrem Treffen bei der letzten Herbsttagung (siehe unsere Blogeinträge vom Oktober 2007) nicht viel weitergekommen sind. Die G7 ist keine bloße Statistentruppe, aber auch kein aktiver Gestalter; Blockierer wäre vielleicht der angemessene Begriff. Das gilt auch für alle Gedankenspiele, die dem IWF eine aktivere Rolle in Bezug auf die Regulierung der globalen Finanzmärkte zukommen lassen wollen.

9. April 2008

IWF und Finanzkrise: Einäugig oder vollblind?

Der IWF (im Bild das Hauptquartier in Washington) ist wieder einmal in aller Munde. Aber nicht, weil die Länder des Südens wieder massive Zahlungsbilanzprobleme haben, die der Fonds überbrücken soll. Sondern deshalb, weil die Privatakteure an den Kapitalmärkten in Bredouille sind. In seinem gestrigen Bericht zur Finanzmarktstabilität, der besser „Bericht über die Instabilität der Finanzmärkte“ heißen sollte, beziffert der IWF die voraussichtlichen Verluste im Zuge der aktuellen Kredit- und Finanzkrise auf nahezu 1 Billion US-Dollar. Damit hätte die „Credit crunch“ ein größeres Ausmaß als die Japankrise Anfang der 90er und die Asienkrise in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Gleichzeitig stellt der Fonds fest, dass die globalen Konsequenzen der Subprime-Krise „tiefgehende Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Makroökonomie“ haben könnten. Die Autoren sprechen von einem „kollektiven Versagen“ der Finanzmarktakteure und von einer deutlichen Zunahme der „systemischen Risiken“.

Die Frage stellt sich jedoch, wie es um das eigene Versagen des Fonds bestellt ist, für den jetzt immer häufiger eine verstärkte Aufsichtsrolle gefordert wird. Hinweise für eine Antwort darauf liefert Hector Torres, der als alternierender Direktor für die Cono-Sur-Länder im IWF-Vorstand sitzt. In einem Kommentar zitiert er genüsslich aus früheren Berichten zur Finanzstabilität. Und siehe da: Wie sehr sich die Rhetorik und die Diagnosen des Fonds doch geändert haben! Noch im September 2006, also zehn Monate vor dem Ausbruch der aktuellen Krise, beschied der Global Financial Stability Report (GFSR) den Finanzsektoren noch „eine starke Position, um mit jeglichen zyklischen Herausforderungen und künftigen Marktkorrekturen zurecht zu kommen“. Im April 2007, also drei Monate vor Krisenausbruch, hieß es im GFSR, „die Schwäche (der Finanzmärkte; R.F.) war auf bestimmte Bereiche des Hypothekenmarktes beschränkt“ und „stellt wahrscheinlich keine ernste systemische Bedrohung dar“. Die IWF-Auguren schrieben sogar: „Der US-Immobilienmarkt scheint sich zu stabilisieren…“

Torres meint, diese eklatante Fehleinschätzung und die Unfähigkeit, die jüngste Krise vorherzusagen, seien auf das Governance-Modell des IWF zurückzuführen, das es nahezu unmöglich mache, die Entwicklungen vor der eigenen Haustür, also im Land des größten Anteilseigners, realistisch zu analysieren. Aber das stimmt nur teilweise. Denn dann hätte der Fonds ja bei Krisen im Süden bessere Prognosen liefern müssen. Wie allgemein bekannt, hat er jedoch bei der Vorhersage der Asienkrise genauso versagt, wie ein Jahrzehnt später bei der Subprime-Krise, die von den USA ausging. Am besten wäre es, der IWF ginge erst einmal „in sich“, bevor er nach neuen Rollen Ausschau hält. So wichtig eine Stärkung der Aufsicht und Kontrolle über die globalen Finanzmärkte ist – es besteht kein Grund, den Bock vorschnell zum Gärtner zu machen.

6. April 2008

Internationaler Durchbruch für soziale Menschenrechte: Einigung über Beschwerdeverfahren

Nach fünf Jahren zäher Verhandlungen haben sich die Regierungen in Genf auf die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (WSK-Rechte) verständigt. Weder die deutsche Verfassung, noch die Europäische Menschenrechtskonvention garantieren einen so umfassenden Schutz von sozialen Rechten wie der Internationale Pakt. Das Beschwerdeverfahren wird es Opfern von Menschenrechtsverletzungen ermöglichen, sich mit einer Beschwerde gegen den Staat an die Vereinten Nationen zu wenden. Eine solche Möglichkeit gibt es bereits beim Internationalen Pakt über bürgerlich-politische Rechte und bei der Frauenrechtskonvention.

Mit dem Ende letzter in Genf erreichten Kompromiss bestätigt die internationale Staatengemeinschaft erstmals, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ebenso wie z.B. das Recht auf freie Meinungsäußerung einklagbar sein müssen, national wie international. Bis zur letzten Minute hatten einige Staaten wie Kanada, die USA und Großbritannien versucht, durch die Einführung strenger Verfahrensregeln das Beschwerdeverfahren wirkungslos zu machen. Dem stellten sich vor allem die afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten gegenüber. Die deutsche Regierung trat erst im Februar in die Gruppe der Befürworter eines starken Beschwerdeverfahrens ein, setzte damit aber ein deutliches Signal, das die Verhandlungen maßgeblich beeinflusst hat. Es ist zu hoffen, dass das Beschwerdeverfahren nun zügig vom UN-Menschenrechtsrat und von der UN-Generalversammlung verabschiedet wird.

FIAN, die internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, hatte seit 1991 für das Beschwerdeverfahren geworben: „Es ist von hoher symbolischer Bedeutung, dass im Jahr des 60. Geburtstages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte endlich die Gleichwertigkeit von sozialen Menschenrechten mit bürgerlich-politischen Menschenrechten anerkannt wird.“, so FIAN-Sprecherin Ute Hausmann. „Das Beschwerdeverfahren steht nicht nur symbolisch für die Unteilbarkeit der Menschenrechte, es kann auch ein schlagkräftiges Instrument in der Verteidigung von sozialen Menschenrechten werden.“

Strauss-Kahn beim Wort nehmen

Ende dieser Woche werden die Gouverneure des Internationalen Währungsfonds endgültig über eine völlig unzulängliche Quotenreform (>>> IWF: Enttäuschende Quotenreform) beschließen. Doch sollte dies ist nicht das Ende, sondern der Auftakt für die eigentliche Debatte über eine ernsthafte Reform der Governance-Strukturen des Fonds sein. Niemand steht dabei so sehr im Wort wie der Geschäftsführende Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn. Kurz vor seiner Wahl vor einem halben Jahr brachte Strauss-Kahn ein Modell ins Gespräch, das auch bei NGOs breite Unterstützung genießt – das Modell doppelter Mehrheiten, bei dem bei wichtigen Entscheidungen sowohl unter den Industrieländern als auch unter Entwicklungsländern Mehrheiten gefunden werden müssen (>>> W&E-Hintergrund April 2007).

Während die jetzige Quotenreform die Stimmrechte der Entwicklungsländer allenfalls minimal erhöht, würde ihnen das Modell doppelter Mehrheiten erheblich mehr Gestaltungsspielraum im Fonds bieten, ohne dass die Industrieländer Angst haben müssten, überrumpelt zu werden. Faktisch gibt das Modell doppelter Mehrheiten sowohl den Industrie- als auch den Entwicklungsländern Vetorechte an die Hand, beinhaltet aber auch einen Einigungszwang, der neue Koalitionen möglich, ja sogar zwingend macht. Es wäre deshalb eine echte Alternative zur jetzt herrschenden automatischen Unterordnung des Südens; es würde die Chance eröffnen, im Fonds einen echten Nord-Süd-Ausgleich zu institutionalisieren.

Es wäre kaum ein besserer Zeitpunkt denkbar, das Modell der doppelten Mehrheiten wirklich auf die Tagesordnung der Reformdiskussion im IWF zu setzen als jetzt, wo die Begrenzungen des Quotenmodells so offen zutage liegen. Strauss-Kahn selbst hat eingestanden, dass die Quotenreform nur ein erster Schritt sein kann. Was hindert ihn, das weitergehende Modell jetzt konkret auf den Verhandlungstisch zu legen? Es würde möglicherweise auch dazu beitragen, das schwindende Interesse der Entwicklungsländer am Fonds wieder zu erneuern. Die NGOs, die sich auch am Rande dieser Frühjahrstagung wieder versammeln werden, sollten Strauss-Kahn beim Wort nehmen.

4. April 2008

Finanzmärkte brauchen globales Denken

Die Kritik an der Initiative von US-Finanzminister Hank Paulson zur Reorganisation der Finanzmarktaufsicht in den USA geht weiter. Als Ausdruck traditioneller US-Arroganz in Finanzfragen und mangelnden globalen Denkens hat sie jetzt Jeffrey Garten von der Yale School of Management gebrandmarkt. Es müsse um eine Umstrukturierung des gesamten Finanzsystems in allen seinen globalen Dimensionen gehen und nicht um nationale Alleingänge schreibt Garten in der Financial Times. In den 1990er Jahren zeigte die Asienkrise, wie schnell sich eine solche Krise über die Grenzen hinaus ausbreiten könne. Das derzeitige Finanzdebakel zeige, wie sich die Ansteckung unter den einzelnen Finanzprodukten ausbreite, von den Subprime-Krediten über die Verbriefung von Schuldtiteln bis zu Gemeindeanleihen. In beiden Fällen haben die Probleme der Finanzmärkte die Leben von Millionen Menschen zerstört.

„Wir sind daher mit einer Herausforderung in massiver Größenordnung konfrontiert,“ heißt es in dem Artikel, „die nach einer Neubewertung fast aller Aspekte verlangt, angefangen bei der Frage, wie Finanzinstitutionen aller Art global beaufsichtigt werden, über die Stabilität des internationalen Währungsregimes, bis zur Rolle der Zentralbanken und ihrer Beziehungen untereinander und zur Stärkung der sozialen Sicherheitsnetze.“ Die Zeit für eine Reform des globalen Finanzsystems sei noch nicht reif. Aber für die USA sei es an der Zeit, einen internationalen Konsensus in dieser Frage zu schaffen, statt nach unilateralen Wegen zu suchen. Vor allem komme es darauf an, die Dimension des Problems vollständig zu erfassen und zu verstehen, bevor neue Regulationsbestimmungen in Kraft gesetzt werden.

3. April 2008

Regulierung der Finanzmärkte: Marktfundamentalismus statt Reformwille

Mit der näher kommenden Frühjahrstagung von IWF und Weltbank und immer neuen Hiobsmeldungen aus dem Bankensektor wird jetzt wieder verstärkt über den Reformbedarf der internationalen Finanzmärkte diskutiert. Für das Treffen in Washington am 11./12. April wird der lange angekündigte Bericht des Forums für Finanzstabilität mit Vorschlägen für eine Reform des Finanzsystems an die G7 erwartet. Die dafür verantwortliche Draghi-Kommission hat auf einer Sitzung am vergangenen Wochenende in Rom schon mal den Ton vorgegeben: „Das Finanzsystem sieht sich einer Anzahl signifikanter kurzfristiger Herausforderungen gegenüber;“ heißt es im Kommuniqué des Treffens – im Klartext: Die aktuelle Krise ist noch lange nicht vorbei. Empfehlungen werden zu folgenden Gebieten erwartet: Kapitalmarktaufsicht und Liquiditäts- und Risikomanagement; Transparenz, Veröffentlichungs- und Bewertungspraktiken; Rolle der Rating-Agenturen; die Reaktion der Finanzbehörden auf Risiken und Stresssituationen im Finanzsystem. Für die US-Regierung hat Finanzminister Hank Paulson (s. Photo) schon einmal für die USA die Reorganisationen ihrer Regulierungsbehörden angekündigt, was von den meisten Medien sogleich als „größte Reform“ seit der Großen Depression eingestuft wurde.

Doch der Vergleich hinkt, und die meisten derzeit gehandelten „Reformvorschläge“ treffen nicht den Kern der Sache. Für einen der es wissen muss, George Soros, geht die jüngste US-Initiative, in deren Mittelpunkt die Aufwertung der Notenbank Fed steht, schlicht am Problem vorbei. Schon lange stelle die Fed Regeln für den Immobiliensektor und die Finanzindustrie auf, scheitere aber regelmäßig an ihrer Umsetzung, schreibt der erfahrene Finanzmagnat heute in der Financial Times. „Rund 25 Jahre lang ließen sich die Finanzbehörden von einem Marktfundamentalismus leiten: dem Glauben, dass Märkte zum Gleichgewicht tendieren und dass Abweichungen davon nur zufällig auftreten.“ Nichts zeigt das besser als der Umstand, dass gerade die zahlreichen sog. Finanzinnovationen der letzten Jahre kaum einer Regulierung unterworfen wurden.

Während Soros den falschen Glauben an die Fähigkeit der Märkte zur Selbstkorrektur geißelt, verglich der prominente Ökonom Paul Krugman die jüngste Finanzmarktinitiative der US-Regierung Anfang der Woche mit einer Dilbert-Übung, in der – nach dem Muster des berühmten Comics – die Trennwände in einem Großraumbüro neu organisiert werden, weil den Managern substantiell nichts Neues einfällt. Die Notwendigkeit der Reform der Finanzmärkte sei inzwischen so offenkundig geworden, dass durch hektische Betriebsamkeit Handeln vorgetäuscht werden müsse, wenn das Vertrauen in Märkte und Politik nicht noch weiter schwinden soll. – Krugmans Kollege Nouriel Roubini wies unterdessen darauf hin, dass erst einmal die Ursachen der aktuellen Finanzkrise analysiert werden müssen, bevor über Lösungen nachgedacht werden könne. Seine imposante Liste von 10 Punkten verweist allerdings ebenfalls auf die zahlreichen Versäumnisse in der gegenwärtigen Debatte, die einseitig die Selbstregulierung und die Marktdisziplin betont und sich lieber auf freiwillige Prinzipien verlässt als eindeutige Regeln zu verordnen, die notfalls auch durchgesetzt werden.