1. März 2008

Amazonien: Front mit globaler Verantwortung

Ich bin zurück von der Amazonien-Konferenz der letzten drei Tage in Berlin. Und schon beim Frühstück bestätigt die Financial Times von heute, dass der Zeitpunkt der Veranstaltung, zu der die Heinrich-Böll-Stiftung rund 300 brasilianische und deutsche ExpertInnen und Interessierte aus Politik, Wissenschaft und sozialen Bewegungen zusammengebracht hatte, nicht besser hätte gewählt sein können. Das Londoner Finanzblatt beleuchtet den Hintergrund einer groß angelegten Operation der brasilianischen Regierung gegen den illegalen Holzeinschlag in Amazonien. Den Teilnehmern der Berliner Konferenz dürfte das meiste davon schon bekannt sein: Allein in den letzten fünf Monaten des Jahres 2007 wurden 7000 qkm Wald vernichtet, was einer Jahresrate von 17000 qkm entspricht – 5800 qkm mehr als in den zwölf Monaten zuvor.

Dabei war die Entwaldungsrate seit 2004 deutlich zurückgegangen, u.a. wegen einer rigoroseren Politik gegenüber illegalen Holzfällern: 650 Verhaftungen (einschließlich von korrupten Beamten, die die Holzfäller deckten), Geldstrafen in Höhe von 4 Mrd. Real (1,6 Mrd. €) und die Beschlagnahme von über 1 Mio. Kubikmeter Tropenholz kann die Regierung bis Mitte letzten Jahres anführen. Viele Verantwortliche hoffen, dass auch die neue Operation („Arc of Fire“) die Abholzung wieder verlangsamen kann. Kenner der Situation verweisen jedoch auf komplexere Zusammenhänge der Waldvernichtung im Amazonas-Becken. Noch vor dem illegalen Holzeinschlag rangieren die Viehzucht und dann die starke Weltmarktnachfrage nach Soja (Agrosprit!) und der um sich greifende Zuckerrohranbau derzeit als Hauptfaktoren der Regenwaldvernichtung.

Entsprechend solcher regionaler und globaler Zerstörungsdynamiken betonten die TeilnehmerInnen der Amazonien-Konferenz auch die internationale Verantwortung an der Amazonien-Front. An die Politik der westlichen Industrieländer und ihre Konsumentinnen und Konsumenten richten sich v. a. die folgenden Kernforderungen:

1. Die Schutzgebiete in Amazonien müssen ausgeweitet werden: Hier sind die westlichen Industrieländer vor allem auch bei der finanziellen Unterstützung gefragt.
2. Die Biopiraterie der Pharma- und Agrokonzerne muss ein Ende haben: Die Konferenz zur Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) im Mai in Bonn muss endlich verbindliche Regelungen treffen, damit der Reichtum der genetischen Ressourcen den lokalen Bevölkerungen zugute kommt.
3. Die Zertifizierung von Rindfleisch und Soja muss EU-weit eingeführt werden: Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen die Herkunft von Soja und Rindfleisch nachverfolgen können.
4. Mitsprache- und Entscheidungsrechte der indigenen und sozialen Bewegungen Brasiliens müssen bei internationalen Verhandlungen zum
Biodiversitäts- und Klimaschutz sowie durch multilaterale Geldgeber und Investoren berücksichtigt werden.

Ein ausführliches Dossier zum Thema „Amazonien – Klima und Wandel“ mit ausführlichen Berichten und Dokumenten findet sich unter >>> www.boell.de.

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