Elmau: Der Zeremoniengipfel wird den Abstieg der G7 nicht aufhalten
Heute morgen habe ich dem Neuen Deutschland ein Interview zum kommenden G7-Gipfel gegeben, das in dessen Wochenendausgabe erscheint. Die Leserinnen und Leser unseres Blogs können es hier vorab lesen:
Hat Entwicklungsminister Gerd Müller der Bundeskanzlerin beim G7-Programm die Feder geführt? Die G7 müssen sich dazu bekennen, den Hunger und die absolute Armut bis 2030 auszulöschen, fordert Merkel. Weltweit sollen Umwelt- und Sozialstandards bei der Produktion und in den Lieferketten von Kleidung, Lebensmitteln und anderen Produkten durchgesetzt werden. Steht in Elmau eine Zeitenwende bevor?Nein. Mit den Themen soll der Bedeutungsverlust der G7 kompensiert werden. Und: Nachdem das Gewicht der G7 in der Weltwirtschaft beträchtlich abgenommen hat, geht es darum, sich stärker darauf zu konzentrieren, als Speerspitze des Westens und der NATO zu agieren. Sicherheitspolitische und geostrategische Aspekte werden in Elmau im Vordergrund stehen. Alle anderen Themen entwicklungspolitischer Natur sind da nur Beiwerk, man könnte auch von Feigenblatt-Themen sprechen.
Was ist von der G-7-Initiative zur Ernährungssicherung zu halten, die von Seiten der Kleinbauern im Globalen Süden kritisiert wird?
Die Nahrungsmittelinitiative der G7 ist im Wesentlichen eine Initiative, den Weg für Investitionen der großen Agrarkonzerne in die Agrarsektoren des Südens offenzuhalten bzw. zu befördern. An und für sich gehört das Thema Ernährungssicherheit gar nicht in so ein Gremium wie die G7, sondern in die UN-Organisation für Ernährung FAO. Es ist allerdings bislang nicht bekannt geworden, dass die G7 dort eine besonders vorwärtsweisende oder gar konstruktive Rolle in Sachen Ernährungssicherheit oder gar -souveränität spielen.
Und wie steht es um die Umwelt- und Sozialstandards? Es wäre ja prinzipiell wünschenswert, so etwas global durchsetzen zu können. Setzen sich die G7 dafür in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dafür ein oder sieht es da ähnlich aus wie bei der Ernährungssicherheit?
In der ILO ist von einer herausragenden Rolle der G7 nichts zu sehen. Dort sitzen Unternehmer, Gewerkschaften und Regierungen gleichberechtigt jeweils mit einem Drittel der Stimmen am selben Tisch. Das Problem dieses Themas ist allerdings weniger, dass sich die Bundesregierung oder die G7 dazu äußern wollen, sondern wie sie das tun. Und da sieht es so aus, dass über bisherige allgemeine und unverbindliche Bekenntnisse auch in Elmau nicht hinausgegangen wird. Was man bräuchte, wären verbindliche Standards und keine feierlichen Absichtserklärungen. Neu in Elmau ist, dass ein globaler Präventionsfonds, der »Vision Zero Fund« angestoßen werden soll, mit dem Brand- und Gebäudeschutz, Arbeitsinspektoren und Versicherungen gegen Arbeitsunfälle finanziert werden könnten. Das ist aber im Wesentlichen ein nachsorgendes Gremium, das dann, wenn Arbeitsunfälle auftreten, wie beispielsweise bei den menschengemachten Katastrophen im Textilsektor in Bangladesch, etwas Geld zur Verfügung steht, um die Opfer zu entschädigen und kein proaktives Instrument, das den Bedingungen strukturell zu Leibe rückt.
Worum geht in Elmau im harten Kern, wenn die entwicklungspolitischen Themen Feigenblätter sind?
Es geht im Kern darum, die G7 als sogenannte gemeinsame Wertegemeinschaft am Leben zu erhalten und den Abstieg der G7 als weltwirtschaftliche Führungsmächte zu bremsen und möglicherweise sogar rückgängig zu machen. Aber vor allen Dingen steht der geostrategische und sicherheitspolitische Aspekt im Vordergrund, und es besteht die Gefahr, dass das alles übertönt und in den Hintergrund drückt. Mit dem Rausschmiss Russlands aus der alten G8 ist ein ziemlich deutliches Signal verbunden: Nämlich das, dass der Westen zu gemeinsamer Sicherheit mit Russland nicht mehr bereit ist. Es gibt aber keine Sicherheit in Europa ohne gemeinsame Sicherheit mit Russland. Das ist das Problem.
Was ist aus den G20 geworden, die nach dem Beginn der Finanzkrise auf dem Washingtoner Gipfel 2008 auch von den damaligen G8 in die erste Reihe gebeten wurden? Die Argumentation: Nur mit China und anderen großen Schwellenländern könnten die globalen Krisen überhaupt bewältigt werden.
Die G20 arbeiten weiter. Sie werden sich das nächste Mal auf Gipfelebene in der Türkei treffen, wo im Moment die G20-Präsidentschaft liegt. Die G20 haben einiges erreicht, was die Reregulierung des internationalen Finanzsystems betrifft. Sie sind aber auf diesem Wege sozusagen auf halber Strecke stecken geblieben. Große Regulierungsherausforderungen sind nach wie vor nicht bearbeitet, denken wir an das »too-big-to-fail-Problem«, mit dem große Banken quasi Insolvenzschutz genießen, oder denken wir an die Regulierung des Schattenbankensektors: In den fließt immer mehr Kapital, nachdem im offiziellen Bankensektor bescheidene Regulierungen zu greifen beginnen. Das Problem der G20 ist, dass die Agenda etwas ausgefranst ist. Die G20 wollen jetzt auch Entwicklungspolitik machen, sie haben große Infrastrukturprojekte in der Pipeline, die G20 befassen sich mit generellen weltwirtschaftspolitischen Fragen. Und das, obwohl die Kernaufgabe, nämlich die Schaffung einer neuen internationalen Finanzarchitektur, noch ungelöst ist.
Ist von Elmau irgendetwas Substanzielles zu erwarten, oder ist die G7 ein Auslaufmodell, das sich versucht weiter zu erhalten?
Elmau wird wohl vor allem ein Zeremonien-Gipfel mit hohen Kosten, mit einem enormen Aufwand an Sicherheitsmaßnahmen, mit Restriktionen für die Demonstrationsfreiheit und die freie Meinungsäußerung. Vielleicht wird es die eine oder andere Initiative geben. Aber bislang ist nicht bekannt, dass auch in den zwei Themen, die gerne in den Vordergrund gestellt werden – Klimapolitik und die Post-2015-Agenda für die Entwicklungspolitik –, wirklich neue Impulse von den G7 beschlossen werden. Auch deswegen bleiben die G7 eindeutig auf dem absteigenden Ast, und die Frage ist, wie viel Kraft man darin investieren sollte. Mein Vorschlag ist: Vergesst G7!
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