Vom Regen in die Traufe? Der Kotau der Ukraine vor dem IWF
Noch keine 24
Stunden im Amt und noch bevor die sog. Fact
Finding Mission des IWF das Land betrat, hatte die amtierende neue
Regierung der Ukraine den Kotau vor dem Internationalen Währungsfonds
vollzogen. Man werde „alle ökonomischen Reformforderungen“ und „alle
IWF-Bedingungen“ erfüllen, erklärte der ukrainische Premierminister Arseniy
Yatseniuk noch vor der Ankunft der IWF-Delegation. Inzwischen hat die
IWF-Mission ihre Arbeit beendet und ein „Rettungspaket“ von 14-18 Mrd. Dollar
erarbeitet, das – sofern der IWF-Vorstand Anfang April zustimmt – insgesamt 23
Mrd. Dollar über die nächsten zwei Jahre freimachen soll (darunter
Stützungsbeträge aus den USA, der EU und Japan).
Das
IWF-Programm kommt in Form eines traditionellen Beistandsabkommens („stand-by
arrangement“) und ist die vielleicht heikelste geopolitische Intervention des
IWF in den letzten Jahrzehnten. Es springt in die Bresche, nachdem ein
Bail-out-Programm Russlands über 15 Mrd. Dollar mit dem Umsturz in Kiew die
Grundlage verloren hat. Der gestürzte ukrainische Präsident Yanukovich hatte
die jetzt widerstandslos akzeptierten Konditionen des IWF, der sich nicht zum
erstenmal in der Ukraine engagiert, abgelehnt und dem russischen Rettungsdeal,
der nicht an derartige Bedingungen geknüpft war, den Vorzug gegeben. Wie
kurzsichtig und einseitig ein Teil der Bevölkerung diese Zusammenhänge sieht,
zeigt sich daran, dass die Annahme des russischen Angebots durch die alte
Regierung die Proteste auf dem Maidan noch zusätzlich angestachelt hatte.
Mit
dem neuen IWF-Rettungsprogramm könnte die Ukraine jetzt durchaus vom Regen in
die Traufe kommen. Es sieht die „Reform“ des Energiesektors vor, will sagen:
die Einführung kostendeckender Gaspreise und die Abschaffung der Subventionen
für die privaten Haushalte. Der staatliche Gaskonzern Naftogaz hat bereits eine
Anhebung der Gaspreise für Privathaushalte zum 1. Mai um 50% angekündigt. Hinzu
kommt die bereits erfüllte Bedingung der Freigabe der ukrainischen Währung, die
seit Jahresbeginn 30% ihres Werts verloren hat. Und dann erwartet die Ukrainer
ein flächendeckendes fiskalisches Austeritätsprogramm. Vor Geschäftsleuten in
Kiew tat Yatseniuk überdies kund, man erwäge die Privatisierung von Teilen des
Öl- und Gassektors – einer der strategischen Schlüsselsektoren der ukrainischen
Ökonomie. Es ist zwar auch wieder (wie bei allen neueren IWF-Programmen) die
Rede davon, dass die „verwundbarsten Bevölkerungsgruppen“ geschützt werden
sollen, aber dies könnte sich wie so oft als Begleitrhetorik ohne praktische
Konsequenzen erweisen.
Die
Entscheidung des IWF-Boards im April ist auch ein innerer Balanceakt für den
IWF. Einerseits kann das Management darauf verweisen, dass gegenüber der
Ukraine im Vergleich zu anderen Programmen keine besonderen Zugeständnisse in
puncto Konditionalität gemacht worden sind. Andererseits finden Vertreter des
Südens wie der brasilianische Exekutivdirektor Paulo Nogueira Batista, dass ein
kleiner Überbrückungskredit besser gewesen wäre und das eigentliche Abkommen
nach den Wahlen im Mai mit der legitimen Regierung hätte ausgehandelt werden
sollen. Wie dem auch sei: Mit seinem raschen Handeln hat der IWF seinem Motto „We
stand ready“ einmal wieder alle Ehre gemacht und sich erneut als finanzieller Arm
der westlichen Globalstrategie erwiesen.
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