18. März 2014

Vor einer neuen globalen Entwicklungsarchitektur?


In dieser Woche findet in Berlin ein weiteres hochrangiges Symposium des Development Cooperation Forum (DCF) der Vereinten Nationen (VN) statt. Es wird das letzte Vorbereitungstreffen für das beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) angesiedelte DCF sein, das am 10./11. Juli dieses Jahres in New York stattfindet. Das DCF-Symposium soll Inputs für die zentralen Gremien der Post-2015-Debatte liefern, die Open Working Group on Sustainable Development Goals (OWG) und das Intergouvernmental Committee of Experts on Sustainable Development Financing (>>>Wegweiser durch das Dickicht der Post-2015-Debatte). Der Frage, ob das Symposium und das DCF die entwicklungspolitische Debatte wirklich befruchten kann, gehen Heiner Janus, Stephan Klingebiel und Timo Mahn vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in vier Thesen nach:
1. Die frühere Wirksamkeitsagenda der Entwicklungszusammenarbeit ist faktisch kaum noch existent. Seit Verabschiedung der Paris-Erklärung (2005), die gemeinsame Qualitätsstandards für Entwicklungshilfeleistungen der Geber aus dem Kreis der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD) festgelegt hat, ist Ernüchterung eingetreten. Einer der Hauptgründe hierfür ist, dass Geber (einschließlich Deutschland) trotz anderslautender Bekundungen und Verpflichtungen ihre Zusagen für wirksamere Entwicklungszusammenarbeit nicht einhalten. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie wurde schon bei dem letzten hochrangigen Treffen zur Wirksamkeitsagenda Ende 2011 in Busan in Südkorea durch eine einschlägige Evaluierung untermauert. Allerdings hat sich der Trend seitdem verstetigt – und das Thema ist noch stärker in den Hintergrund getreten. Ehemals wichtige Befürworter (etwa Großbritannien) setzen inzwischen andere politische Prioritäten („value for money“) in wichtigen entwicklungspolitischen Diskussionsforen.

2. Die neue globale entwicklungspolitische Architektur muss sich in der Praxis erst noch bewähren. Nach dem Treffen in Busan waren die bestehenden Strukturen grundlegend reformiert worden: Mitte 2012 wurde die Globale Partnerschaft für effektive Entwicklungszusammenarbeit (Global Partnership for Effective Development Cooperation – GPEDC) gegründet. Mitte April 2014 wird man sich erstmals zu einem hochrangigen Treffen in Mexiko versammeln, das ist viel später als ursprünglich geplant – ein Zeichen für die andauernden Meinungsunterschiede der Mitglieder. Welche Dynamik dort entfaltet werden kann, ist weiterhin schwer abschätzbar. Bereits seit 2008 ist das Development Cooperation Forum der VN für den Austausch zwischen Geber-, Partner- und den dynamischen Schwellenländern aktiv. Vor diesem Hintergrund bleibt der Beitrag der GPEDC nebulös. Vor allem Indien, China, Brasilien und Südafrika fühlen sich mit ihren Ansätzen der Süd-Süd-Kooperation unter dem Dach der GPEDC wegen ihres Ursprungs in der OECD nicht zu Hause.

3. Das Nebeneinander verschiedener Diskussionsforen führt zu Verwirrung darüber, wie Entwicklungspolitik zukünftig funktioniert. Die grundlegenden Fragen stehen weiter im Raum: Wären die Vereinten Nationen nicht doch die geeignetere (weil legitimere) Plattform für die Debatte von Zukunftsfragen zur Entwicklungszusammenarbeit? Können die geringe Gestaltungskraft des bisherigen DCF und die letztlich wenig greifbaren Ergebnisse der DCF-Treffen überwunden werden? Diese Fragen in Mexiko und bei dem im Juli 2014 stattfindenden DCF-Hauptreffen zu diskutieren, ist an der Zeit. Dies wird aber von vielen Regierungen bislang tunlichst vermieden. Zu groß sind die politischen Anreize parallele Diskussionen in beiden Plattformen weiterzuführen, um individuelle Gestaltungsmacht zu maximieren. Dies geschieht auf Kosten der Effizienz globaler Entwicklungszusammenarbeit.

4. Die bisherigen Foren müssen ihre Eignung für die Umsetzung der zukünftigen Entwicklungsziele erst noch unter Beweis stellen. Seit Monaten wird mit viel Aufwand daran gearbeitet, eine neue globale Entwicklungsagenda zu entwerfen („Post-2015-Debatte“). Die Debatte ist wichtig, um den mühsamen Prozess eines universellen Konsenses über Entwicklungsziele zu befördern und so beispielsweise Herausforderungen wie globale Nachhaltigkeit und Ungleichheit in politisches Handeln zu integrieren. Unabhängig von der Frage, wie eine solche Agenda künftig aussehen wird, ist die Notwendigkeit groß, Entwicklungsziele auch umsetzen zu können. Im besten Fall wird die künftige Agenda das Verhalten von Ländern hinsichtlich ihrer Entwicklungsstrategien maßgeblich beeinflussen. Gleichzeitig wird der Erfolg ebenfalls davon abhängen, ob die Ziele durch internationale Kooperationsanstrengungen – auch in Form von Entwicklungszusammenarbeit – unterstützt werden.
Natürlich wäre es eine Überforderung, von dem Berliner DCF-Treffen auf alle aufgeworfenen Herausforderungen befriedigende Antworten zu finden. Der Gastgeber Deutschland, die Vereinten Nationen und die eingeladenen Teilnehmenden können aber stärker als bisher die anstehenden Fragen und Lösungsoptionen zunächst einmal benennen. Hierzu gehören eben die raison d’être der GPEDC, ihr Verhältnis zum DCF und die eigentliche Notwendigkeit, beide Foren zusammen zu führen.

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