18. September 2010

Futter für den Hungergipfel

(New York) Von den zahlreichen Berichten, die im Vorfeld des am Montag beginnenden MDG-Gipfels vorgelegt wurden (>>> Weltarmutsgipfel oder globales Armutszeugnis: Laufende Dokumentation), haben zwei meine besondere Wertschätzung: Der erste ist der Social Watch –Report 2010: After the Fall: Time for a New Deal, der hier gestern Abend vorgestellt wurde. Der zweite ist der neue Flagschiff-Report des kleinen, aber feinen UN-Instituts für soziale Entwicklung (UNRISD) in Genf mit dem Titel Combating Poverty and Inequality: Structural Change, Social Policy and Politics. Beiden gemeinsam ist, dass sie über die enge MDG-Agenda hinausdenken und die Aufmerksamkeit auf die strukturellen Faktoren lenken, die der Umsetzung solcher Ziele, wie sie in der Millenniumserklärung festgehalten wurden, entgegen stehen.

Der Social Watch-Report in diesem Jahr fordert einen Neuen Deal innerhalb und zwischen den Gesellschaften in Nord und Süd – gleichsam ein umfassendes Programm sozialer Gerechtigkeit. Dazu zählen Klimagerechtigkeit (etwa die Anerkennung der „Klimaschulden“, mehr Investitionen in sauber Technologien und die Förderung menschenwürdiger Arbeitsplätze in einer „grünen Ökonomie"); finanzielle, fiskalische und wirtschaftliche Gerechtigkeit, die den Finanzsektor zur Bezahlung der Kosten der Krise heranzieht; Soziale und Geschlechtergerechtigkeit (etwa die Umsetzung der MDGs, aber auch universeller Zugang zu sozialen Grunddiensten), um nur die wichtigsten zu nennen. Auffällig ist, dass in diesem Katalog die MDGs nur einmal vorkommen, das New Deal-Konzept also weit über das hinausgeht, was ab Montag hier verhandelt wird (oder besser: abgenickt wird, denn das Ergebnisdokument liegt ja bereits vor; >>> Recycling altbekannter Phrasen).

Der andere Bericht (von UNRISD) warnt explizit davor, dass die derzeit übliche Zielgruppenorientierung der gängigen Strategien der Armutsbekämpfung fehlkonzipiert ist, da sie die Armutsproblematik vom breiteren Prozess des wirtschaftlichen Wachstums und der sozialen Entwicklung trennt. Einfache Rezepte mögen zwar Regierungsunterstützung und Finanzmittel aus dem Norden anziehen, sind aber weit entfernt davon, jene Bedingungen zu schaffen, um sich selbst aus der Armut zu befreien. Der Hauptautor des Berichts, Yusuf Bangura, führt die mangelnde Umsetzung der MDGs direkt auf die Vernachlässigung der Armutsursachen zurück: „Die derzeitigen Armutsansätze tendieren dazu, den Fokus auf Dinge zu legen, die den armen Menschen fehlen, statt darauf, warum ihnen diese fehlen.“

Es scheint, dass sowohl innerhalb als auch außerhalb des UN-Systems, in der Zivilgesellschaft, die Zweifel daran wachsen, ob die MDGs wirklich der Weisheit letzter Schluss sind. „Die MDG-Strategie ist im Wesentlichen eine Entwicklungshilfe-Strategie“, sagt Roberto Bissio von Social Watch. „Doch warum sollten die letzten fünf Jahr bis 2015 mehr Entwicklungshilfe oder bessere Handelsbedingungen für den Süden bringen?“ In der Tat sind derzeit eher Anzeichen für das Gegenteil zu sehen.

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