Wie weiter nach dem G20-Gipfel? Vier Prüfsteine und drei Merkposten
Die Mehrzahl der Kommentare zu den Ergebnissen des G20-Gipfels folgte, wie Paul Krugman, dem Tenor „Besser als erwartet“. Während Jeffrey Sachs, der in der Delegation von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon war, schrieb, die harte Arbeit bestehe jetzt darin, die G20-Beschlüsse in die Praxis umzusetzen, meinte Avinasch Persaud, der auch Mitglied der Stiglitz-Kommission ist, der Gipfel sei zwar kein Wendepunkt, aber ein Grund, weniger pessimistisch in die Zukunft zu sehen. Besonders positiv fiel die Stellungnahme des Internationalen Gewerkschaftsbundes (ITUC) aus. Danach eröffnen die Gipfelergebnisse die „Chance für eine neue Globalisierung“, die der Deregulierung den Rücken zukehre und den Staat wieder in seine Rechte einsetze. Auch das europäische NGO-Netzwerk Eurodad konzediert, der G20- habe bessere Arbeit geleistet als die G8-Gipfel, wenngleich noch ein langer Weg zu gehen sei.
In der vielleicht ausführlichsten Analyse des Gipfelausgangs (>>> What Happened at the G20?) arbeitet Duncan Green von Oxfam vier Prüfsteine heraus, mit denen die Entwicklung nach dem Gipfel bewertet werden kann:
1. Beendigung der schädlichen IWF-Konditionalität. Hierzu habe ich in meiner eigenen Gipfelauswertung (>>> Der eigentliche Sieger ist der IWF) auf einen Passus im Kommuniqué hingewiesen, wonach die neuen Finanzmittel, die der IWF bekommt, nicht zuletzt verwendet werden sollen, um auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern den Spielraum für eine antizyklische Politik zu erweitern. Eurodad sieht in den jüngsten Bemühungen um eine „Überholung“ der Kreditvergabepolitik des IWF einen ersten Teilerfolg im Kampf gegen die bisherige Policy-Konditionalität des Fonds.
2. Beschleunigung der Reform von IWF und Weltbank im Sinne der Stärkung des Gewichts der Entwicklungsländer. Hier fordert Oxfam als erste Schritte die Aufgabe des Vetorechts durch die USA und den Verzicht der Europäer auf einige Vorstandssitze. Das wären in der Tat Zeichen, dass es die Industrieländer diesmal ernst meinen.
3. Sofortige Initiativen der G20-Staatschefs für einen globalen Klimadeal. Damit bis zur Kopenhagen-Konferenz im Dezember zu warten, wäre zu spät. Die Klimapolitik ist in der Tat einer der schwächsten Punkte im Kommuniqué. Auch in Bezug auf eine „grünere“ Ausgestaltung der Konjunkturstimuli findet sich nichts in dem Papier.
4. Ein multilaterales Abkommen, das die Steueroasen zwingt, steuerrelevante Informationen automatisch auch an die Entwicklungsländer weiterzugeben. Nachdem die diesbezüglichen Initiativen in der OECD bestenfalls die Neuaushandlung bilateraler Doppelbesteuerungsabkommen mit den Industrieländern bringen werden, wäre wohl nur ein erweiterter multilateraler Rahmen ein geeigneter Weg, um endlich der Steuerflucht aus den Entwicklungsländern zu Leibe zu rücken.
Was hier fehlt, ist das gründliche Monitoring der versprochenen Reregulierung des globalen Finanzsektors. Hier wäre insbesondere das neue Financial Stability Board (FSB) genau zu beobachten. Interessant ist die Aussage von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn, der Fonds wolle sich in der Zusammenarbeit mit dem FSB selbst auf die Zuarbeit beschränken, während dem FSB künftig auch eine regelsetzende Rolle zukomme. Und dann sind da noch zwei Punkte, die in den Londoner Beschlüssen gar nicht vorkommen: eine neue Währungspolitik (hier findet sich nur das Gelöbnis, keinen Abwertungswettlauf zu veranstalten) und der Kampf gegen die Spekulation. Das könnten zentrale Themen auf dem UN-Gipfel zur Finanzkrise und ihren Auswirkungen auf die Entwicklungsländer Anfang Juni in New York werden.
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