1. April 2009

Am Vorabend des G20-Gipfels: Bestenfalls ein Zwischenstopp

Es ist schon erstaunlich, wie breit gefächert das Interesse an einem Weltwirtschaftsgipfel diesmal ist. Heute bringt das Diskussionsportal Die Gesellschafter.de, das die Aktion Mensch (ehemals: Aktion Sorgenkind) betreibt, einen Kommentar von mir zum G20-Treffen. Hier ist der Text:

Selten waren die Erwartungen an einen Gipfel so hoch gesteckt wie diesmal. Wenn morgen in London der G20-Gipfel zusammentritt (je 10 Industrie- und Schwellenländer und diverse hohe Funktionäre internationaler Finanzinstitutionen), dann erhoffen sich die einen eine Neue Internationale Finanzarchitektur, die Finanzkrisen künftig unmöglich macht. Andere, wie der neue US-Präsident Obama, wollen „eine neue ökonomische Ära“ aus der Taufe heben. Doch nichts davon werden wir morgen erleben. Wenn es gut geht, wird London allenfalls ein Zwischenstopp auf dem Weg aus der globalen Wirtschaftskrise, die dramatischer ist, als fast alle das vermutet haben.

Wie so oft, wurden die großen Visionen in den Mühlen der Gipfelvorbereitung kleingekocht. Einige halten jetzt schon viel für gewonnen, wenn auf dem Gipfel dreierlei erreicht wird: eine Verständigung über laufende und möglichst neue Konjunkturprogramme, eine Versicherung, künftig keine „systemrelevanten“ Banken mehr Pleite gehen zu lassen und mehr Geld für den Internationalen Währungsfonds (IWF), der wie eh und je den erstrangigen Krisenmanager spielen soll. Doch das wäre kein Programm zur Bekämpfung der Ursachen, sondern bestenfalls ein Versuch, möglichst schnell zum Vorkrisenzustand zurückzukehren. Das System der „Schattenbanken“ und regulationsfreien Zonen, das uns die gegenwärtige Krise eingebrockt hat, bliebe ungeschoren. Die Macht solcher Institutionen wie IWF und Weltbank, die uns jahrzehntelang Deregulierung, Flexibilisierung und Privatisierung gepredigt haben, würde sogar noch erhöht (ähnlich heute auch >>> Korinna Horta und Barbara Unmüßig in ihrem G20-Kommentar).

Am letzten Wochenende gelangte der Entwurf für das Abschlusskommuniqué des Gipfels an die Öffentlichkeit. Am konkretesten sind darin noch die Punkte, die sich um die künftige Finanzausstattung der internationalen Finanzinstitutionen drehen, vor allem des IWF. Dessen „Kriegskasse“ soll um 250 oder sogar 500 Mrd. US-Dollar aufgestockt werden. Doch es wäre ein großer Fehler, diesen Organisationen mehr Geld zu geben, ohne sie zuvor an Haupt und Gliedern zu reformieren. In der Dritten Welt sind sie unbeliebt, weil sie meistens die Interessen der Industrieländer vertreten. Ihre Kreditauflagen zwingen dort nach wie vor zu einer Politik der Krisenverschärfung, während der IWF den Industrieländern seit neuestem zu antizyklischer Haushaltpolitik rät, d.h. zum Schuldenmachen. Die Besetzung der Führungspositionen von IWF und Weltbank machen die Industrieländer seit jeher unter sich aus. Einiges davon soll sich jetzt allerdings ein bisschen ändern.

Ja, „soll“ sich ändern! Wie oft habe ich das jetzt schon gehört. Von einer Neuen Internationalen Finanzarchitektur redet man jetzt schon über zehn Jahre. Davon, dass man die Armen in der Krise schützen und die Entwicklungshilfe auf 0,7% unserer Wirtschaftsleistung erhöhen müsse, sogar seit fast 50 Jahren! Nein, ich würde nicht viel auf den Londoner Gipfel setzen, um im Bild des Spielkasinos der Finanzmärkte zu bleiben. Doch wie gut, dass es schon bald einen weiteren Gipfel gibt – einen UN-Gipfel zur Finanzkrise Anfang Juni in New York, bei dem die Interessen der Entwicklungsländer im Mittelpunkt stehen sollen. So jedenfalls will es die im Zuge des Vorbereitungsprozesses eingesetzte Kommission unter Leitung des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stiglitz. Bei diesem Gipfel sitzen alle mit am Tisch. Das macht die Sache nicht einfacher, könnte aber der Hoffnung auf eine „neue ökonomische Ära“ wirklich neue Nahrung geben.


Eine detaillierte Bewertung des Vorbereitungsstands am Vorabend des Londoner Gipfels findet sich auf www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org.

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