Welche Überraschungen am Tag des Gipfels?
Gastkommentar von Duncan Green, London
Der große Tag erwacht in einem Nebel von Konfusion und Presseberichten über Zerwürfnisse zwischen den Kontinentaleuropäern und den Angelsachsen. So werden die rivalisierenden Pressekonferenzen interpretiert, die Obama und Brown einerseits und Sarkozy und Merkel andererseits gestern gegeben haben. Heute wird sich zeigen, wie viel davon nur für das heimische Publikum bestimmt war – Sarkozy möchte in der französischen Presse sicher als starker Mann dastehen. Doch was bewegt sich in den Fragen, die für die Entwicklungsländer von Belang sind? Hier ist ein schneller Gang durch die Hauptpunkte:
* Rettungspaket für die Armen: Oxfam fordert ein Hilfspaket von 580 Mrd. Dollar für die Entwicklungsländer, darunter 25-41 Mrd. Dollar für die ärmsten (gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt wäre das ein Konjunkturprogramm von ähnlicher Größenordnung wie das der reichen Länder). Wie es aussieht, wird hier ein Mix aus Finanzmitteln angekündigt werden, die im Wesentlichen an IWF und Weltbank fließen sollen. Wahrscheinlich wird es auch einige Ankündigungen geben, die Geld für den neuen Nothilfe-Fonds („Vulnerability Fund“) der Weltbank betreffen. Dabei dürften sich Deutschland und die USA Großbritannien als Geber anschließen. Doch die Hauptfrage ist hier, ob dies neues Geld sein wird oder nur frisch verpackte alte Zusagen; nach unseren Informationen wird es sich vor allem um letzteres handeln. Der IWF könnte die Zustimmung bekommen, rund 90 Mrd. Dollar (von insgesamt 250 Mrd. Dollar) in Form neuer Sonderziehungsrechte an Entwicklungsländer auszugeben. Davon wären vielleicht 19 Mrd. Dollar für Länder mit niedrigem Einkommen. Mehr Mittel könnten durch den Verkauf eines Teil des IWF-Goldes aufgebracht werden – ein Punkt, der in dem an die Öffentlichkeit gelangten Kommuniqué-Entwurf vom Wochenende auftauchte, aber gegen den es Widerstand von Seiten des IWF gibt.
* Reform der internationalen Institutionen: Wenn neues Geld in den IWF und die Weltbank gepumpt wird, ohne ihre Struktur und Politik umfassend zu reformieren, könnten sie fortfahren, anderen ihre verfehlte Politik aufzudrängen, die in den 1980er Jahren (Strukturanpassung) oder nach der Asienkrise Ende der 1990er Jahre (prozyklische Ausgabenkürzungen im Abschwung) so viel Schaden angerichtet hat. Angesichts der Dringlichkeit der Bedürfnisse der Entwicklungsländer akzeptieren wir, dass mit dem Geld nicht gewartet werden sollte, bis solche Reformen vollständig abgeschlossen sind. Aber es muss eine glaubwürdige Verpflichtung auf ihre Reichweite und einen Zeitplan geben. Das scheint bisher nicht der Fall zu sein – einige wenige Verpflichtungen werden zwar ständig wiederholt (so die Wahl der Spitzen von IWF und Weltbank aufgrund ihrer Qualifikation); doch alles andere wird wohl bis zur Frühjahrstagung von IWF und Weltbank verschoben. Das ist besorgniserregend.
* Steueroasen: Harte Verhandlungen gibt es über den künftigen Umgang mit diesen Juristiktionen, aber wir hören alle möglichen, sich widersprechenden Nachrichten. Unklar ist, ob es eine Schwarze Liste der „bad guys“ geben wird oder nur eine Drohung damit und ob Sanktionen verhängt oder nur angedroht werden. Ausgeschlossen scheint, dass man sich in dieser Frage auf ein multilaterales System verpflichtet, statt sich mit einer Serie bilateraler Abkommen zufrieden zu geben. Vom Tisch ist auch ein automatischer Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden, was potentiell desaströs ist – denn ohne automatischen Austausch müssen die Länder im Vorhinein wissen, wonach sie suchen. Ohne einen multilateralen Rahmen und ohne Informationsaustausch, was für Konzerne und Trusts ebenso gelten muss wie für Individuen, würde jede Vereinbarung zum Thema Steueroasen den Entwicklungsländern nur wenig bringen.
* Grüner New Deal: Das war der schwächste Punkt in dem vorab veröffentlichten Kommuniqué-Entwurf. Wir hören, dass China hier der größte Bremser ist, vielleicht weil es einen „grünen Protektionismus“ befürchtet. Jedenfalls dürften die Formulierungen hierzu schwach ausfallen, ohne Verpflichtung auf ein Monitoring des mit den Konjunkturprogrammen verbundenen CO2-Ausstosses. Die optimistische Sicht, wie sie die deutsche Regierung vertritt, geht davon aus, dass der nächste G20-Gipfel, der wahrscheinlich kurz vor der Kopenhagener Klimaschutz-Konferenz stattfinden wird, den Klimawandel als Hauptthema haben wird. Die Pessimisten jedoch sagen, dass hier eine große Chance verpasst wurde und der nächste G20-Gastgeber auf diesem Gebiet wahrscheinlich weniger engagiert sein wird als London. Ich sehe es so wie die Pessimisten. – So, jetzt liegt es ganz an den Politikern im Excel Centre, uns doch noch eine erfreuliche Überraschung zu bereiten!
Duncan Green ist Mitarbeiter von Oxfam UK; sein Blogeintrag erscheint auch auf der Website von Oxfam Deutschland.
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