Noch ein Bock im Garten – und draußen wartet der Gärtner
Das Verwunderliche an der Ernennung von Otmar Issing (s. Foto) zum Vorsitzenden der von der Bundesregierung geplanten Kommission zur Neuordnung der Finanzmärkte ist nicht, dass uns nach dem Rückzug von Hans Tietmeyer der vielleicht engste Geistesverwandte des ehemaligen Bundesbank-Präsidenten präsentiert wird. Das Verwunderliche ist, dass dies nunmehr ohne jeden Hauch von Kritik des sozialdemokratischen Koalitionspartners, ja offensichtlich mit dessen ausdrücklicher Zustimmung über die Bühne geht. Es war wohl doch nicht die inhaltliche Kritik am „System Tietmeyer“ (Pierre Bourdieu), die den Aufschrei der Sozialdemokraten auslöste, sondern lediglich die peinliche Tatsache, dass Tietmeyer inzwischen im Aufsichtsrat der Hypo Real Estate sitzt, die jüngst von der Bundesregierung gerettet werden musste, weil sie sich in der soeben geplatzten Finanzblase verzockt hatte.
Wie Tietmeyer ist Issing einer derjenigen Prediger und Ideologen der Finanzmarktderegulierung und des Diktats der Märkte, die uns die derzeitige Krise beschert haben. Nach acht Jahren im Vorstand der Deutschen Bundesbank (1990-1998) galt er danach (1998-2006) war Deutschlands führender Monetrarist danach (1998-2006) Chefvolkswirt im Vorstand der Europäischen Zentralbank, der mit Argusaugen über Zinssätze wachte und im Interesse der Geldvermögensbesitzer einseitig die Stabilitätskriterien im Auge hatte, um etwaige Inflationsgefahren im Keim zu ersticken. Dass Issing einer ähnlichen Kommission auf EU-Ebene angehört, wie die Bundesregierung seine Ernennung begründet hat, spricht nicht für die Personalie, sondern eher gegen sie. Schließlich täte es auch auf EU-Ebene gut, die neoliberalen Säulenheiligen vom Sockel zu stoßen, wenn es wirklich um eine Neue Internationale Finanzarchitektur geht und nicht bloß um kosmetische Operationen an der alten.
Dass es auch anders geht, haben soeben die Vereinten Nationen demonstriert. Der derzeitige Präsident der Generalversammlung, Miguel D’Escoto, hat für den 30. Oktober ein Panel zur Globalen Finanzkrise einberufen, aus dem kurz danach eine High-Level Task Force zur Überprüfung des globalen Finanzsystems hervorgehen soll. Der Vorsitzende dieser Task Force steht schon fest: Es ist der Columbia-Professor und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. In seinen zahlreichen Büchern, zuletzt in The Washington Consensus Reconsidered. Towards a New Global Governance (zusammen mit Narcis Serra) hat Stiglitz jede Menge Ideen zusammengetragen, wie ein wirklicher New Deal für die Weltwirtschaft aussehen könnte. Vielleicht zeigt die Ernennung von Stiglitz ja, dass der Wettlauf zu einem „Bretton Woods II“ längst noch nicht im Sinne derjenigen entschieden ist, die nach ein paar Gipfeltreffen schnell wieder zur Tagesordnung des „freien Marktwirtschaftskapitalismus“ (Bush Jr.) übergehen wollen.
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