Davos: Gordon Browns 'Visionen'
Manchmal ist es interessanter, wer nicht kommt, als wer kommt. Nachdem der französische Präsident Nicolas Sarkozy seine Teilnahme abgesagt hat (um die Hochzeit mit Carla Bruni vorzubereiten?), ist der britische Premierminister Gordon Brown der prominenteste europäische Politiker, der nach Davos kommt. Bei seinem für morgen angekündigten Auftritt wird er wahrscheinlich „Visionen“ zur Reform der globalen Institutionen ankündigen, wie er sie Anfang dieser Woche schon mal vor der Handelskammer in New Delhi getestet hat. Wie die Financial Times schon da süffisant bemerkt hat, scheint Browns Enthusiasmus für die globalen Institutionen größer zu sein als seine Leidenschaft für die EU. Also mal umgekehrt: Was ist die Hose und was der Rock?
Browns Vision (im Bild mit indischen Studierenden) für eine „wirklich globale Gesellschaft“ enthält neben der Erweiterung des UN-Sicherheitsrats und der G8 um die wichtigsten Schwellenländer und der Aufstellung einer Schnellen Eingreiftruppe unter UN-Kommando vor allem Ideen für die Aufwertung von IWF und Weltbank. Aus der Weltbank will er eine Bank für Entwicklung und Umwelt machen, die sich den in Bali beschlossenen Klimafonds einverleibt und dann zum Hauptfinanzier für die im Süden erforderlichen Klimaschutz-Investitionen wird. Für den Internationalen Währungsfonds hat Brown die Rolle einer Frühwarninstanz für künftige Finanzkrisen im Auge. Dazu soll er über die gleiche Unabhängigkeit verfügen, wie die Zentralbanken im nationalen Kontext.
Das sind wohl wahr „Visionen“, die vielen NGOs den Magen umstülpen werden: Die Weltbank, die sich gerade erneut als fossilistische Energieagentur profiliert hat, als Weltumweltbehörde im Dienste der Entwicklungsländer. Und der IWF, der zu allererst mehr Kontrolle durch seine südlichen Mitgliedsländer braucht, als unabhängige Weltzentralbank. Letzteres klingt zwar ein bisschen nach den Vorstellungen des alten Keynes. Doch jene Variante des monetaristischen Diktats, wie sie beispielsweise die Europäische Zentralbank von heute verkörpert, hätte der wohl wichtigste Ökonom des 20. Jahrhunderts bestimmt nicht gewollt. Schauen wir mal, was die in Davos versammelte Elite dazu sagt. Der aufgeklärte Millionär George Soros hat schon einmal per Video-Botschaft verkündet, dass das Hauptproblem nicht das mangelhafte Frühwarnsystem ist, sondern die außer Kontrolle geratenen und unterregulierten Finanzmärkte.
PS: In meinen Duden-Fremdwörterbuch von 1966 (zugegeben: etwas veraltet) heißt es zu „Vision“: „Erscheinung vor dem geistigen Auge; auch: Trugbild“. Zu „Visionär“ steht dort: „veraltet für: Geisterseher, Schwärmer“.
Aktualisierung: Pünktlich zu seiner Davos-Rede erscheint in der Financial Times vom 25. Januar sein Kommentar Ways to fix the world’s financial system.
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