29. November 2018

Am Vorabend des G20-Gipfels: Wie ein Wunschzettel des Weihnachtsmanns

Der G20-Gipfel, der morgen und übermorgen in Buenos Aires stattfindet, wirft seine Schatten voraus. Das politische Ziel für den G20-Gipfel müsse sein, schreibt VENRO in einem Pressestatement, „die USA, Saudi-Arabien, die Türkei, Australien und Brasilien für ehrgeizigen Klimaschutz wieder zu gewinnen und zu verhindern, dass diese Länder die klimapolitische Relevanz der G20 torpedieren“. Die Geschäftsführende Direktorin des IWF fordert die G20 in einem Blog-Beitrag auf, „die Anstrengungen für inklusives Wachstum zu verstärken“. Das könnte den G20-Ländern ein zusätzliches BIP-Wachstum von 4% bescheren. Das klingt ein bisschen so wie aus dem Wunschzettel des Weihnachtsmanns. Denn selten war die Wirklichkeit von einem Slogan weiter entfernt als von dem Motto der argentinischen G20-Präsidentschaft: „Konsensbildung für faire und nachhaltige Entwicklung“, heißt es.


In ihrer heutigen G20-Beilage („Argentina and the World“) schreibt die Financial Times, die reale Entwicklung der letzten Monate und Jahre (mit den rechtspopulistischen Wahlsiegen in den USA, Italien, Brasilien) sei über die „Pro-Globalisierungs-Agenda“ des argentinischen Präsidenten Mauricio Macri hinweg gegangen. Da ist was dran, auch wenn die argentinische G20-Agenda mit ihrem Plädoyer für großindustrielle Agrarwirtschaft und Infrastrukturinvestitionen als profitable Anlageklasse alles andere als ein positives Gegenbild zur realexistierenden Globalisierung darstellt. Doch die Ankündigungen neuer Strafzölle gegen China und Europa durch Trump (zuletzt als Reaktion auf die angekündigten Entlassungen bei General Motors) strafen ein Versprechen Hohn, dass die G20 einmal gegeben hatten: den konsequenten Kampf gegen den Protektionismus. Im Zeitalter der Handelskriege, so sieht es derzeit aus, schafft es nicht einmal mehr der Begriff Protektionismus, geschweige denn der Kampf dagegen, ins Abschlusskommuniqué des G20-Gipfels.

Längst sind auch die Bemühungen um globale Finanzreformen auf der Mitte der Strecke stecken geblieben – siehe etwa das ungelöste Too big to fail-Problem oder den völlig unregulierten Schattenbanksektor. Auch die argentinische Präsidentschaft kann sich nicht rühmen, diesen Bemühungen neuen Schwung gegeben zu haben, im Gegenteil: hat sie mit ihrem Deal mit den Geierfonds doch wesentliche Konzessionen an die Finanzmärkte gemacht und mit der Unterwerfung unter ein gigantisches Rettungspaket des IWF die eigene Ökonomie zur Geisel gemacht. Manche Kommentatoren munkeln schon, die Regierung Macri sei im Windschatten ihrer Globalisierungsrhetorik nicht in die Welt, sondern vor allem zum IWF zurückgekehrt. In dieser Konstellation geht auch das Kalkul nicht auf, das Macri mit der G20-Präsidentschaft verbunden hatte, nämlich eine Welle internationalen Kapitals ins Land zu locken. Das Gegenteil ist passiert: Das Kapital flieht, der Wert der argentinischen Währung hat sich halbiert, und die Wirtschaft wird dieses Jahr überhaupt nicht wachsen, sondern um rund 2,5% schrumpfen. Da kann selbst der Weihnachtsmann nicht mehr helfen!

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