24. Juli 2018

G20: Handelskrieg statt Finanzmarktreformen?

Eigentlich wäre es die Aufgabe des Finanzministertreffens der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) am vergangenen Wochenende in Buenos Aires gewesen, Maßnahmen zur Vervollkommnung der unvollendeten Finanzmarktreformen auszuarbeiten. Doch der Handelskrieg der USA gegen den Rest der Welt überschattet inzwischen alles und drängt selbst die Kernaufgabe der G20 weiter in den Hintergrund. Für die Umsetzung des Gründungsmandats der G20, den globalen Finanzsektor krisensicher(er) zu machen, kommt den Finanzministern und Notenbankchefs sicherlich eine Schlüsselrolle zu, auch zehn Jahre nach dem Ausbruch der Großen Finanzkrise.


Doch inzwischen hat sich die Welt geändert. Die US-amerikanische Trump-Administration ist kräftig dabei, die im Zuge der G20-Kooperation und besonders unter Obama erreichten Reformfortschritte im Finanzsektor rückabzuwickeln. Wenn sich die Drohung mit dem Handelskrieg indirekt auch als Mittel erweist, weitere Finanzmarktreformen zu stoppen, kommt dies den Trum-Leuten sicher zupass. Die Drohung wird zumal von den Europäern als so massiv empfunden, dass das am Wochenende von US-Finanzminister Mnuchin verkündete „Angebot“ eines Freihandelsabkommens zwischen Europa und den USA als „Überraschung“ empfunden wird. Aber dieses „Angebot“ hat große Pferdefüße: „Wenn Europa an den Freihandel glaubt, wären wir bereit, ein Freihandelsabkommen zu unterschreiben“, so Mnuchin in der argentinischen Hauptstadt. Er insistierte, dass jeder Deal Handeln bei Zöllen, nicht-tarifären Barrieren und Subventionen beinhalten müsse. „Es müssen alle drei Fragen sein“, sagte er.

Das ist ziemlich eindeutig. „Nicht-tarifäre Barrieren“ sind für die US-Regierung beispielsweise Umweltauflagen oder gesundheitliche Vorschriften, die bislang den Import US-amerikanischer Chlor-Hühnchen oder genmanipulierter Nahrungsmittel untersagen. Die Subventionsfrage berührt das gesamte System der europäischen Ernährungssicherheit (auch wenn die Praxis der Agrarsubventionen in vielerlei Hinsicht problematisch ist). Es geht der Trump-Administration also gar nicht nur um die Absenkung von Zöllen (die ohnehin bereits recht niedrig sind) oder den Abbau ihres Handelsbilanzdefizits, sondern darum, legitime europäische Schutzmechanismen zu schleifen, um freie Bahn für amerikanische Exportinteressen zu bekommen.

Die restlichen G20 sind freilich nicht ganz unschuldig daran, wenn jetzt auch die handelspolitischen Absprachen (wie Enthaltung bei der Errichtung von Zollmauern und Währungsabwertungen) in Frage gestellt und die letzten Reformambitionen in Bezug auf die Finanzmärkte zurück geschraubt werden. Schon recht früh sind sie der Uminterpretation der Finanzkrise als Ausdruck eines außer Kontrolle geratenen Finanzsektors zu einer Krise als Ergebnis einer außer Kontrolle geratenen Fiskalpolitik durch konservative Politiker auf den Leim gegangen. Politisch spiegelte sich dies in den G20-Erklärungen im Übergang von einem entschlossenen Konjunkturstimulus zu einer restriktiven Fiskalpolitik wieder, einschließlich der berüchtigten Austeritätspolitik. Jetzt könnten auch die Reste eines regelgestützten multilateralen Handelssystem schierer Machtpolitik zum Opfer fallen.

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