17. Juni 2018

USA contra China: Handelspolitik mit Doppelstandards

Die US-Administration hat jetzt ihre Drohungen wahr gemacht und am letzten Freitag „Strafzölle“ auf chinesische Importe im Wert von 50 Mrd. Dollar beschlossen. Die Zölle sollen in zwei Schritten verhängt werden, die erste, größere Tranche schon in den nächsten Tagen. Die Maßnahmen werden vor allem mit dem anhaltenden „Patentdiebstahl“ der Chinesen begründet, gehen jedoch weit darüber hinaus. In den Verhandlungen der letzten Monate drängten die Trump-Leute nicht nur auf eine Neugestaltung der Regelungen zum geistigen Eigentum, sondern praktisch auf eine vollständige Abschaffung der chinesischen Industriepolitik. Die chinesische Seite hat umgehend Vergeltungszölle in gleicher Höhe angekündigt, was Trump wiederum mit neuen Zöllen kontern will, so dass der schon länger beschworene Handelskrieg jetzt Fahrt aufnehmen wird.

Der Harvard-Ökonom Dani Rodrik hat in einem Beitrag, der in der jüngsten Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung dokumentiert wird (>>> hier), darauf hingewiesen, dass die US-Handelspolitik gegenüber China zutiefst von Doppelmoral geprägt ist: „Tatsächlich unterscheiden sich Chinas Praktiken nicht sehr von dem, was alle hochentwickelten Länder im Laufe der Geschichte getan haben, wenn sie zu anderen Ländern aufschlossen. Eine der Hauptbeschwerden der USA gegenüber China ist, dass die Chinesen systematisch gegen geistige Eigentumsrechte verstoßen, um technologische Geheimnisse zu stehlen. Doch im 19. Jahrhundert waren die USA gegenüber dem damaligen technologischen Vorreiter – Großbritannien – in derselben Position.“ Und: Die in den Kinderschuhen steckenden Textilmühlen Neuenglands brauchten dringend neue Technologien und taten ihr Möglichstes, um britische Entwürfe zu stehlen und britische Facharbeiter ins Land zu schmuggeln. Die USA hatten Patentgesetze, aber diese schützten nur US-Bürger. Ein Historiker hat es so formuliert: Die Amerikaner „waren auch Piraten.“ 

Zur Umsetzung der Zölle gegen China kursiert jetzt eine neue Produktliste, die von Autos über Helikopter, Bulldozern, Robotern und Industriemaschinen (einschließlich Computertechnologie) so ziemlich alles enthält, womit die Chinesen im Rahmen ihrer „Made in China 202-5“ in den nächsten Jahren die Weltmarktführerschaft erringen wollen. Auch dies zeigt, dass es um mehr als Patentregelungen und Marktzugang für die USA geht: Die US-Strategie zielt auf nicht mehr und nicht weniger als darauf, aufstrebende Länder am Aufstieg zu hindern bzw. auf niedrigere Stufenleitern der Weltwirtschaft zurückzustoßen. Dabei stellt sich im Falle Chinas nicht nur die Frage, ob es dazu angesichts des industriellen Potentials der Volksrepublik nicht bereits zu spät ist. Von paradigmatischer Bedeutung für die gesamte Welt der Entwicklungs- und Schwellenländer ist, dass es in einem vernünftigen internationalen Handelssystem weder praktikabel noch wünschenswert ist, den politischen Freiraum zu beschränken, den Länder brauchen, um ihre eigenen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle zu entwickeln.

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