19. April 2018

IWF- und Weltbank-Tagung in Washington: Kritik oder Stillhalten vor Trump?

Wenn in Washington die Kirschbäume in voller Blüte stehen, finden sich alljährlich die Bretton-Woods-Zwillinge IWF und Weltbank zu ihrer Frühjahrstagung zusammen. Doch die Blüten, die dort sprießen, sind oft nicht von solcher Pracht wie die der Obstbäume. Die bevorstehende Kapitalerhöhung der Weltbank trägt durchaus ambivalente Züge, während der Internationale Währungsfonds davor warnt, dass die derzeit recht gut laufende Konjunktur der Weltwirtschaft ihren Zenit bereits überschritten haben und sich das Expansionstempo bis 2020 wieder deutlich verlangsamen könnte. Für beide Finanzinstitutionen richtet sich der Blick vor allem auf die USA bzw. ihren salbadernden Präsidenten Trump, allerdings mit unterschiedlichem Akzent. Während sich Weltbank-Präsident Jim Kim mit Kritik auffällig zurück hält, um die anvisierte Kapitalerhöhung von 16 Mrd. Dollar für die IBRD und ihren Privatsektor-Arm IFC durchzubekommen, ist die Kritik des IWF an der Trump-Administration so deutlich und offen wie nie zuvor.


Tatsächlich haben die USA zur Bedingung ihrer Zustimmung bei der Kapitalerhöhung gemacht, dass die Weltbank ihre zinsgünstigen Kredite an China deutlich zurückfährt, da sich das Land auch so genug Geld am Kapitalmarkt besorgen könne. Letzteres mag sogar zutreffen, doch ist unübersehbar, dass die multilateralismus-feindliche Trump-Truppe damit eine internationale Finanzinstitution offen für ihre Anti-China-Politik instrumentalisiert. Demgegenüber sehen die IWF-Leute offenbar kaum noch Grund zur Zurückhaltung: Während IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld bei der Vorstellung des neuen World Economic Outlook vor dem „Flirt“ Trumps mit einem Handelskrieg und dessen negativen Folgen für die Weltwirtschaft warnte, forderte der Direktor des IWF für Fiskalpolitik Viktor Gaspar bei der Präsentation des Financial Stability Report die USA dazu auf, die Steuererleichterungen für die Reichen zurückzunehmen und den eigenen Schuldenberg ab- statt aufzubauen.

Aus der Sicht vieler NGOs bereitet neben der Angst vor einer neuen Schuldenkrise im Süden freilich auch anderes Sorge. An erster Stelle ist hier die Richtung zu nennen, in der die Weltbank und der IWF weiterhin gegenüber den ärmsten Ländern agieren. Während der IWF gerade dabei ist, sich gegenüber sog. fragilen Staaten neue Überwachungskompetenzen zuzulegen, drängt die Weltbank zielgerichtet darauf, die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) vor allem durch die Mobilisierung von Privatkapital voranzutreiben. Dazu hat sie einen neuen „Kaskaden-Ansatz“ angenommen, mit dem auch das erhoffte zusätzliche Kapital für die Mobilisierung von Privatkapital genutzt werden soll, und finanzielle Anreize für Mitarbeiter eingeführt, die bei der „Hebelung“ privater Dollars besonders erfolgreich sind. Dass dabei nur allzu leicht Profite gegenüber dem Allgemeinwohl die Oberhand bekommen, ist ein durchaus ernst zu nehmender Einwand, wie nicht zuletzt die anhaltende Kritik an öffentlich-privaten Partnerschaften im Infrastrukturbereich zeigt (>>> PPP-Kritik aus unerwarteter Ecke). Nur scheinheilig ist demgegenüber die Kritik der hohen Weltbank-Gehälter durch die Trumpleute, die den hehren Zielen der Bank bei der Armutsbekämpfung zuwider laufen würden. Von Gehaltskürzungen innerhalb der Trump-Administration haben wir jedenfalls bis heute noch nichts gehört.

13. April 2018

Finanzlobbyismus in der EU-Kommission: Ein Kommen und Gehen

Zehn Jahre nach dem Beginn der großen Finanzkrise funktioniert die Drehtür bei der EU-Generaldirektion, die für die Regulierung der Finanzmärkte zuständig ist, bestens. Das enthüllt eine neue Studie, die Yiorgos Vassalos u.a. für die NGO Corporate Europe Observatory (CEO) erstellt haben. Sie zeigt, dass ein Drittel der führenden Beamten bei der Generaldirektion für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (DG FISMA) zwischen 2008 und 2017 entweder aus der Finanzindustrie kamen oder dort arbeiteten, nachdem sie die Kommission verlassen hatten. Diese Drehtürkultur bei der DG FISMA bedeutet, dass vielen ihrer Topbeamten die nötige Distanz und Neutralität gegenüber den Unternehmen, die sie regulieren sollen, fehlt.


Im Einzelnen fanden die Forscher heraus:
* Vier von fünf früheren Direktoren der DG FISMA, die zwischen 2008 und 2017 die Kommission verließen, arbeiteten danach bei Finanzunternehmen, die sie einst beaufsichtigten, oder für Lobbyfirmen, die diese Unternehmen vertreten.
* Einer der drei Abteilungsleiter, die zwischen 2008 und 2017 bei der DG FISMA arbeiteten, ging nachdem er die Kommission verließ, zur Finanzindustrie.
* Sechs bzw. sieben der insgesamt 27 Abteilungsleiter bzw. ihrer 22 Stellvertreter hatten in der Vergangenheit für die Finanzindustrie gearbeitet.
* Zwei der drei Kommissare, die 2008-2017 für Finanzen verantwortlich waren, setzten nach Beendigung ihres Mandats ihre Arbeit für Finanzinteressen fort.

Nur wenige Wochen, nachdem der Europäische Ombudsman eine schallende Kritik an der Drehtürpraxis von Ex-Kommissaren wie dem früheren Kommissionspräsidenten Barroso (>>> Goldman Sachs oder Government Sachs?) veröffentlichte, zeigt sich also, wie auch andere EU-Abteilungen an dieser institutionellen (Un-)Kultur leiden. Dies heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass die Regeln der Kommission zur Minderung von Interessenkonflikten dabei versagt haben, den Drehtüreffekt zurückzudrängen. Sie sollten nicht nur verschärft werden. Die gesamte Praxis, dass ein Wechsel von einer Regulierungsbehörde zu der Industrie, die sie regulieren soll, als logischer Karriereschritt gilt, sollte ein für alle Mal beendet werden.

10. April 2018

Deutsche Entwicklungshilfe: Wieder am 0,7%-Ziel vorbei

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Deutschland hat 2017 erneut das Ziel verfehlt, 0,7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) in Entwicklung zu investieren. Das geht aus den neuen OECD-Zahlen zur weltweiten öffentlichen Entwicklungshilfe 2017 (ODA: Official Development Assistance) hervor. Demzufolge gibt Deutschland nur noch 0,66% seines BNE für Entwicklungshilfe aus; das entspricht 24,68 Mrd. US-Dollar). Im Vorjahr 2016 hatte Deutschland erstmals die internationale Zielmarke von 0,7% des BNE erreicht – allerdings nur, weil die Bundesregierung Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland anrechnete. De facto standen diese Gelder jedoch nicht für die Entwicklung armer Länder zur Verfügung.


2017 machten Ausgaben für nach Deutschland Geflüchtete rund ein Viertel der deutschen Entwicklungsleistungen aus. Die Bundesregierung müsse Geflüchtete in Deutschland zwar umfassend unterstützen und ihre Integration fördern, meinen NGOs wie Oxfam. Dies dürfe aber nicht zu Lasten ihrer internationalen Verpflichtungen beim Kampf gegen Armut in Entwicklungsländern gehen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen Mittel für Entwicklungshilfe reichen hierfür bei weitem nicht aus. Um die 0,7%-Marke zu erreichen, muss die jährliche Entwicklungshilfe um mindestens 6 Mrd. € steigen. Eine Quelle könnten die Einnahmen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer sein.

Für das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene ist das erneute Verfehlen des 0,7%-Ziels „ein schlechtes Zeugnis für ein Land wie Deutschland, das Jahr für Jahr neue steigende Exporteinnahmen meldet“, meint dessen Entwicklungsexperte Pedro Morazán. Ein weiteres Problem ist, dass immer mehr Gelder der Entwicklungszusammenarbeit in Form von Krediten vergeben werden. Für Südwind sind die Zahlentricks zur Verschönerung der ODA-Zahlen auch keine gute Visitenkarte für die internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung, die Ende des Monats in New York stattfindet. Dort sollen Regierungen aller Welt und internationale Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam über die Fortschritte bei der Finanzierung der Agenda 2030 diskutieren. „Ohne eine erhebliche reale Steigerung der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit ist eine Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 in den verbleibenden zwölf Jahren nicht denkbar“, fasst Pedro Morazán zusammen.