24. Juni 2016

Nach dem Brexit hilft nur eine wirkliche Reform der EU

Nach dem Votum der Briten für einen Brexit steht die EU vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Spätestens jetzt zeigt sich, dass das vom konservativen Premierminister Cameron initiierte Remain-or-Leave-Referendum die falsche Alternative aufwarf. An der Politik der EU wird sich durch die jetzt getroffene Entscheidung kein Deut ändern. Dabei wäre eine wirkliche Reform der EU die einzig sinnvolle Alternative zu der Misere, die sich jetzt auftun könnte. Kaum eine NGO hat bislang zu dem Resultat des Referendums Stellung genommen. Eine Ausnahme ist die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. Tenor: „Die EU ist zutiefst reformbedürftig und muss ihre Handlungsfähigkeit für die Bereiche, in denen sie nur gemeinsam Erfolg haben kann, neu unter Beweis stellen. Dazu gehören die Flüchtlings- sowie die Energie- und Klimapolitik“, so Germanwatch-Vorsitzender und W&E-Mitherausgeber Klaus Milke. Ein nachhaltiges Energiesystem, das möglichst dezentral ausgerichtet ist und zugleich Europa verbindet, gehöre zum Rückgrat einer erneuerten EU.

Es rächt sich nun, dass die EU zu wenig auf eine Wirtschaftsentwicklung für die sozial Schwachen sowie die Umwelt und zu stark auf Deregulierung und Liberalisierung gesetzt hat. Die tatsächlichen und vermeintlichen Verlierer dieser Politik lehnen die EU insgesamt immer stärker ab und vertrauen den Scheinlösungen der Nationalisten. Klaus Milke nennt ein Beispiel: „TTIP ist zu einem Symbol für die einseitig an Wirtschaftsinteressen ausgerichtete Politik geworden und darf deshalb nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg durchgesetzt werden. Stattdessen braucht die EU eine an den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientierte Nachhaltigkeitsstrategie und Handelspolitik, die mit Beteiligung der Zivilgesellschaft erarbeitet werden sollte." Auch eine Landwirtschaftspolitik, die der bäuerlichen Landwirtschaft den Boden entzieht und ökologische sowie soziale Grenzen missachtet, dürfe nicht weiter ein Markenzeichen der EU sein.

Es sei nun höchste Zeit, für von der EU und ihren Mitgliedern vertretene Werte und Ziele zu kämpfen: für die Würde des Menschen, für die individuellen und sozialen Menschenrechte, für soziale und ökologische Nachhaltigkeit. „Mit dem Brexit schlägt auch die Stunde der europäischen Zivilgesellschaft. Germanwatch wird sich noch intensiver für eine stärkere europäische Zivilgesellschaft einsetzen. Gemeinsam gilt es gerade auch der Bundesregierung auf die Finger zu schauen, denn Deutschland kommt in einer EU ohne Großbritannien noch mehr Verantwortung zu. Deutschland muss für eine soziale und umweltgerechte Politik in der EU stehen. So sollte etwa auch die einseitige Fokussierung auf eine Austeritätspolitik zur Lösung der ökonomischen EU-Krise dringend beendet werden.“ Indem die wesentlichen Strukturprobleme der EU angepackt werden, müsse den fremden- und EU-feindlichen Parteien das Wasser abgegraben werden. – Dem ist vom Grundsatz her wenig hinzufügen.

1 Kommentar:

greenhouse hat gesagt…

Die Naturfreunde, ein kleinerer Umweltverband mit Wurzeln in der Arbeiterbewegung, haben sich ähnlich geäußert:

"Der Brexit kann eine Kettenreaktion auslösen. Nationalistisch-populistische Bewegungen haben überall Auftrieb, auch in Deutschland. Die etablierte Politik reagiert darauf trotzig und rechthaberisch, nicht aber im Sinne einer Modernisierung und Reform der EU. Was wir brauchen, ist ein Europa der Nachhaltigkeit, aber bislang ist es bei einem Europa der Banken und Konzerne geblieben. Doch ein Europa ohne Perspektive wird ein Europa der Spaltungen und des Nationalismus bleiben."

http://www.naturfreunde.de/brexit-die-eu-david-cameron-und-angela-merkel-verlieren