14. November 2014

G20 in Brisbane: Miserable Aussichten

Sicher - so spektakuläre Entscheidungen wie die Ankündigung einer gesamt-asiatisch-pazifischen Freihandelszone (FTAAP; s. Eintrag von gestern) oder die gemeinsame Festlegung auf Reduktionsziele in der Klimapolitik durch die USA und China wird der G20-Gipfel an diesem Wochenende nicht bringen. Aber sind die G20 – nach eigenem Bekunden das „erste Forum der internationalen wirtschaftlichen Kooperation und Entscheidungsfindung“ – schon an jenem Punkt ihres Niedergangs angekommen, der das Verdikt „Forum der Impotenz in der Weltwirtschaft“ rechtfertigen würde, das die Financial Times schon am Vorabend des Treffens verhängte?

Was das oberste Ziel der Gastgeber betrifft, wonach die Weltwirtschaft zusätzliche 2% Wachstum bis 2018 erreichen soll, lautet die Antwort Ja. In Zeiten nach unten korrigierter Wachstumszahlen, weltwirtschaftlicher „Mittelmäßigkeit“ (Lagarde) und einer in Europa drohenden „verlorenen Dekade“ (so US-Finanzminister Lew) fragt man sich in der Tat, woher dieses zusätzliche Wachstum kommen soll. Ganz bestimmt nicht von jenem akribisch zusammengeschriebenen Katalog von „Strukturreformen“, den die Gipfelgastgeber angeregt haben und der doch nur ein Codewort für weitere Deregulierung ist. Auch nicht von der groß angekündigten Infrastrukturinitiative, bei der zusätzliche Investitionen bislang nicht auszumachen sind. Und auch das Vorgehen gegen die Steuervermeidungsstrategien der Transnationalen Konzerne (>>> Halbherzig gegen aggressive Steuervermeidung) oder gegen die prosperierenden Schattenbanken geht bislang nicht weit genug, um dem gerecht zu werden, wofür die G20 auf Gipfelebene einmal angetreten ist.

Wird nach den Auswirkungen für die normalen Leute gefragt, so müssen weit über die Hälfte der politischen Maßnahmen der G20 als ineffektiv angesehen werden. Dies ergab die neueste Meinungsumfrage, die der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC in den G20-Ländern durchführen ließ. Danach sagen 68% der Befragten, ihre Regierung sei schlecht im Kampf gegen Arbeitslosigkeit (die weltweit immer noch bei über 200 Millionen liegt), 79% sind der Meinung, das herrschende ökonomische System bevorzuge die ohnehin Wohlhabenden, und 62% wollen, dass mehr für die Zähmung der Konzerne getan wird. – Es gehört nicht viel seherische Kraft zu der Vorhersage, dass auch dieser Gipfel wenig bis nichts zum Vorgehen gegen die schreiende Ungleichheit und die globale Massenarbeitslosigkeit beitragen wird. Im fernen Brisbane ticken die Uhren offensichtlich anders, verstieg sich doch der australische Finanzminister Joe Hockey zu der wundersamen Behauptung: „Wir befinden uns mitten im größten Boom der Menschheitsgeschichte.“ 

* W&E berichtet regelmäßig in einer „Rolling Documentation“ über den G20-Gipfel >>> hier.

Keine Kommentare: