26. September 2011

Nach der Jahrestagung: Die Verunsicherung bleibt

Christine Lagarde hat ihre Feuertaufe bestanden. Ihre Ideen – von der „gefährlichen neuen Phase der Weltwirtschaft“ bis hin zu einem differenzierteren Verhältnis zwischen konjunkturellem Stimulus und fiskalischer Konsolidierung – finden sich in allen Kommuniqués wieder. Und doch gibt es nach dieser Jahrestagung keine gemeinsame Linie und koordinierte Politik, wie den Herausforderungen der Instabilität des Finanzsystems und einem Rückfall in die Rezession begegnet werden könnte. Vielmehr macht jeder das, was er ohnehin für richtig hält – wie gehabt. Lagarde kann mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein; ein nur geringer Trost mag sein, dass es ihren Vorgängern oft nicht anders ging.

Dass die starken Worte, mit denen die Krisengefahren beschworen wurden, nicht in einen politischen Konsens mündeten, bedeutet vor allem eines: Es bleibt die große Verunsicherung, die die Stimmung auf den Washingtoner Treffen prägte. Ein gutes Stück Mitverantwortung dafür tragen auch die Deutschen, die in Washington eisern an ihrem gnadenlosen Austeritätskurs festhielten, auch wenn viele „Partner“ längst der Meinung sind, gerade Deutschland müsse mehr tun für die Wiederbelebung der lahmenden Weltwirtschaft. Allen voran blieb Finanzminister Schäuble hart in seiner Weigerung, die Probleme dadurch zu lösen, dass man ihnen „immer mehr Geld hinterher wirft“. O-Ton Schäuble: „Sie können das Feuer nicht mit Feuer löschen.“

Hinter solchen Wendungen steht die einfältige deutsche Auffassung, die Ursache der gegenwärtigen Krise sei die zu hohe Verschuldung – als sei es nicht gerade umgekehrt: Die übermäßige Verschuldung ist eine Folge der Finanzkrise, z.B. der gigantischen Summen, die die Rettung der Banken verschlungen hat. Es ist offensichtlich nur sehr schwer zu verstehen, dass man Überschuldung nicht mit bloßer Sparpolitik bekämpfen kann, wenn letztere das Wachstum abwürgt, wie inzwischen überall in Europa – nicht nur in Griechenland – zu beobachten ist. Aus der Verschuldung kann man nur herauswachsen.

Die nächste Station der Karawane wird jetzt der Gipfel der G20 Anfang November in Cannes sein. Sollte die Washingtoner Tagung ein Vorgeschmack auf dieses Großereignis gewesen sein, dann sollten wir die Erwartungen nochmals herunterschrauben: Auf einer Jahrestagung der Bretton-Woods-Zwillinge mag die Analyse der Lage dominieren, von einem politischen Gipfel wird zupackendes Handeln erwartet.

1 Kommentar:

Jürgen Kaiser hat gesagt…

Es stimmt, dass man mit Austerität einer Überschuldung von den Dimensionen der griechischen nicht beikommen kann. Aber die Krise nicht weiter finanzieren zu wollen, indem er auf dem Umweg über Griechenland die deutschen Banken herauskauft, ist aus der Sicht von Schäuble alles andere als "einfältig". Wenn er sich an seine eigenen Worte nur hielte...!
Tatsache ist, dass Griechenland ohne einen geordneten Schuldenschnitt weder per Austerität noch per anhaltender Krisenfinanzierung (oder einer Mischung aus beidem) aus der Krise "herauswachsen" wird. Die Mechanismen für eine geordnete Staateninsolvenz entgegen den Aussagen im eigenen Eckpunkte-Papier vom Mai 2010 nicht geschaffen zu haben, ist in dieser Krise das entscheidende Versäumnis der Bundesregierung.