6. Juli 2011

Deutsches Exportmodell: Treuhand für Griechenland?

Nicht immer gelingt dem Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, sich als Everybody’s Darling zu präsentieren. Sein jüngster Vorschlag, für Griechenland nach deutschem Vorbild eine "regierungsunabhängige Privatisierungsagentur" zu schaffen, die "auch mit ausländischen Experten besetzt" werden soll, ist in Deutschland auf scharfe Kritik gestoßen, noch bevor die Griechen so richtig realisiert haben, was ihnen blühen könnte. Wie Attac Deutschland erklärt, ist die Treuhand so ungefähr die schlechteste mögliche Wahl: „Der griechische Staat braucht jetzt und langfristig stabile Einnahmen“, sagt Werner Rügemer vom Wissenschaftlichen Beitrat von Attac. „Das Privatisierungskonzept der Treuhand würde aber garantieren, dass immense Summen aus dem Land abfließen, weil das Eigentum ins Ausland verlagert und sich auch der Besteuerung weitgehend entziehen würde. In Ostdeutschland ist das sehr deutlich zu beobachten: Dort wird praktisch keine Erbschaftssteuer eingenommen."

Attac betont, dass die Regierungsunabhängigkeit der deutschen Treuhand in Wirklichkeit Investorenabhängigkeit bedeutet habe. Die wichtigsten Posten seien an "Leihmanager" vergeben worden, also an Manager westdeutscher Banken, Handels- und Versicherungs-, Energie- und Industriekonzerne. Die Regierung Kohl habe mit internationalen Firmen wie McKinsey, Price Waterhouse Coopers, KPMG und dem deutschen Imitat Roland Berger die neoliberale Investorenlobby an Bord geholt. Darüber hinaus garantierte die Bundesregierung die Geheimhaltung, selbst Bundestag und ostdeutsche Landtage erfuhren nichts. Die Regierung stellte die Manager von straf- und zivilrechtlicher Haftung frei und förderte damit im Interesse schneller Privatisierung die Korruption. Nach diesen Erfahrungen eine Treuhand als Medizin für Griechenland, das seit langem mit Korruption zu kämpfen hat, vorzuschlagen, ist für Attac eine haarsträubende Vorstellung.

Rügemer: "Im Endeffekt wurde das Staatsvermögen Ostdeutschlands innerhalb weniger Jahre weit unter Wert verscherbelt. Es wurde keine Marktwirtschaft eingerichtet, sondern eine ausgelagerte Werkbank für Westunternehmen. Niedrigere Löhne, höhere Arbeitslosigkeit als in Westdeutschland sind auch heute nach zwei Jahrzehnten die Folge." Zahlreiche, vor allem jüngere Menschen sind auf Suche nach Arbeit ausgewandert. Eine bisher unbekannte Altersarmut bahnt sich an. Ostdeutsche Unternehmen leben bis heute von staatlichen Subventionen. Eine neue Welle von Landverkäufen durch die Treuhand-Nachfolgegesellschaft hat begonnen. - Was absolut nicht zu verstehen ist, warum Juncker entgangen ist, dass es inzwischen wahrlich genug antideutsche Ressentiments in Griechenland gibt, die nur noch schlimmer werden könnten angesichts des neuesten Exportvorschlags.

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