17. Mai 2011

DSK-Nachfolge: Alter Hochmut aus Europa

Wie gestern Morgen vorhergesehen, ist die Debatte um die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn im Amt des Geschäftsführenden Direktors des IWF voll entbrannt, noch ehe die Verhandlungen um dessen Anklagepunkte so richtig begonnen haben. Ein besonderes Kuriosum dabei ist, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Europa-Kolumnist der Financial Times Wolfgang Münchau ausnahmsweise einmal einer Meinung sind: Da der IWF derzeit so außerordentlich stark in Europa engagiert ist, müsse auch der nächste Chef des Fonds wieder ein Europäer werden.

Das „Argument“ hat „Geschmäckle“ und bezeugt, dass die Europäer immer noch nicht bereit sind, ihren alten Hochmut abzulegen. Mit derselben Logik hätten die Lateinamerikaner in der 1980er Jahren verlangen können, einer der ihren müsse an die Spitze des IWF, weil der Fonds in der damaligen Schuldenkrise dort wieder Tritt gefasst hatte, nachdem er in Europa nicht mehr gebraucht wurde. Mit derselben Logik auch hätte man erwarten können, dass die IWF-Leitung Ende der 1990er Jahre von einem Asiaten hätte übernommen werden müssen, weil die Asienkrise dem Fonds ein weiteres Schwerpunktbetätigungsfeld bescherte. Doch stattdessen überwachte der Franzose Michel Camdessus die Unterzeichnung der wohl schmachvollsten Beistandsabkommen, die der Fonds je unterschreiben lies (s. Foto).

Die naheliegenden Vergleiche verdeutlichen, dass die Europäer (oder jedenfalls viele von ihnen) noch immer nicht bereit sind, mit ehemaligen Kolonialregionen auf gleicher Augenhöhe umzugehen: Während sie selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, die Verhältnisse in anderen Weltregionen zu richten, sollen für vergleichbare Aufgaben in Europa nur die eigenen Leute in Frage kommen. Da kann man nur hoffen, dass die neuen ökonomischen Machtverhältnisse dem alten Hochmut einen Strich durch die Rechnung machen.

1 Kommentar:

Thomas Maurin hat gesagt…

Ja, so ändern sich die Argumentationsmuster, je nach dem, wie es gerade recht ist.

Es gab vor der Großen Rezession immer das Argument, dass ein Managing Director (MD) aus einem
Gläubigerstaat in einer Schulden- bzw. Finanzkrise von Schwellenländern in einer glaubwürdigeren Verhandlungsposition
gegenüber den G-7 bzw. G-10 wäre als ein MD aus einem Schuldnerland. Laut dem früheren (und französischen) MD Larosière, habe dies in der Schuldenkrise der 1980er eine für die Schuldnerstaaten günstige Rolle
gespielt.

Nach dieser Logik jedenfalls müsste der MD ein Nicht-Europäer sein, damit die europäischen Gläubiger nicht fürchten müssen, dass ein europäischer MD zu nachgiebig gegenüber europäischen Schuldnerländern würde.

Aber dieses Argument wurde von Kanzlerin Merkel wieder ausgetauscht und passend gemacht.

[Sehr geehrter Herr Falk,
wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mit dem Folgenden ein bischen Werbung für meinen Blog machen. Wenn Sie das nicht möchten, bitte ich Sie diese "Werbung" zu löschen.]

Mehr zu diesem und anderen Aspekten der Auswahlverfahren für die Leitungsposition in den Bretton Woods-Institutionen auch in meinem neuen Blog:

http://internationalleadershipselection.wordpress.com/