Ein Ausflug nach Bretton Woods
Kurz vor dem Finanzministertreffen der G20 am vergangenen Wochenende unternahm Timothy Geithner einen Ausflug nach Bretton Woods – bildlich gesprochen, versteht sich. In einem Brief an seine „fellow finance ministers“ schrieb er: Die G20-Länder sollten in den nächsten Jahren Schritte zur Reduzierung ihrer externen Defizite „unter einen bestimmten Anteil ihres BIP“ unternehmen. Für die Defizitländer bedeute das, die nationalen Ersparnisse zu steigern und ihre Exportperformance zu verbessern. Umgekehrt müssten die Länder mit anhaltenden Überschüssen ihr Binnenwachstum und auf diese Weise die globale Nachfrage stärken. Die Defizitländer müssten ihre Währungen abwerten, die Überschussländer aufwerten, um so den Abbau der globalen Ungleichgewichte zu unterstützen.
Wie hoch die Defizite, gemessen am BIP sein dürften, geht aus dem Brief nicht hervor. Doch allgemein geht man davon aus, dass sie auf Dauer nicht über 4% liegen dürfen. Das Kommuniqué des Finanzministertreffens formulierte zwar nur vage, das man „zu mehr marktorientierten Wechselkurssystemen, die die zugrunde liegenden Fundamentaldaten reflektieren,“ kommen müsse. Und natürlich erwiesen sich wieder einmal die Deutschen als die schärfsten Widersacher eines besseren Wechselkursmanagements. Denn bei einer Obergrenze für Leistungsbilanzüberschüsse von 4% läge Deutschland mit seinen derzeitigen Rekordüberschüssen weit über der internationalen Norm. Die Kanzlerin lehnt daher Vorschläge strikt ab, Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen durch direkte Vorgaben, etwa „quantitative Leistungsbilanzziele“, zu bekämpfen, sagte sie vorgestern vor dem Bundestag.
Warum nur? In der EU plädiert man ja mühelos auch für „quantitative Ziele“ – jene berühmten 3% Haushaltsdefizit, wobei niemand rational erklären kann, warum das in dieser Form notwendig ist. Was freilich nur wenigen aufgefallen ist: Geithners Vorschlag – und deshalb darf man das Ausflug nach Bretton Woods nennen – ist im Grunde genommen ein Rückgriff auf die Idee, die Keynes auf der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 hatte. Dort forderte er einen Mechanismus, der es gestattet, Defizit- und Überschussländer gleichermaßen für das weltwirtschaftliche Gleichgewicht zur Verantwortung zu ziehen. Der IWF hat das zwar in seinen Statuten stehen, aber wegen der Übermacht der Überschussländer nie umsetzen können. Wenn jetzt die USA, die klassische Vormacht im Fonds, mit dieser Idee kommen, wird man damit rechnen dürfen, dass sie so schnell nicht wieder vom Verhandlungstisch verschwindet. Und das ist gut so, auch wenn es jetzt erst einmal vordergründig gegen die Chinesen geht.