23. August 2010

Eindämmung der Spekulation mit Agrarpreisen überfällig

Die Europäische Union müsse endlich Konsequenzen Nahrungsmittelkrise vor zwei Jahren ziehen und den Handel mit Terminkontrakten an den Getreidebörsen strengeren Regeln unterwerfen, fordert die Nord-Süd-Initiative Germanwatch angesichts des rasanten Anstiegs der Getreidepreise in den letzten Wochen. Die neuerliche Preisexplosion lasse sich nicht allein mit den Bränden und dem darauf folgenden Weizenausfuhrverbot der Regierung in Russland erklären. Denn die weltweiten Lagerbestände von Weizen seien nach der Rekordernte von 2009 mit 190 Mio. Tonnen noch relativ hoch. Die Ernteausfälle in Russland, Kasachstan, der Ukraine und Pakistan würden zudem durch gute Ernten vor allem in den USA und Argentinien zu einem großen Teil kompensiert. Der internationale Getreiderat schätzt, dass die gesamte Getreideernte 2010 mit etwa 26 Mio. Tonnen nur leicht unter dem weltweiten Bedarf liegen werde. Russland hat mit 10-18 Mio. Tonnen jährlich nie mehr als 10% zum internationalen Weizenhandel beigetragen.

Demnach hat die ungehemmte Spekulation an den Getreidebörsen die Preisspirale zwar nicht ausgelöst, aber doch ganz erheblich beschleunigt:
Finanzinvestoren machen sich die global gesehen undramatische Verknappung des Angebots durch regionale Wetterextreme zunutze, indem sie Getreide in riesigen Mengen auf Termin kaufen und so die Stimmung an den Börsen anheizen, um dann Kasse zu machen. Laut FAO führt nur ein ganz geringer Bruchteil der Termingeschäfte zu einem realen Austausch von Ware. "Die Getreidebörsen haben buchstäblich die Bodenhaftung verloren", kommentiert Germanwatch-Vorstand Klemens van de Sand.

Die hohen Preise treffen vor allem die Ärmsten in den Entwicklungsländern, die bis zu 80 Prozent ihrer Einkommen für Nahrung ausgeben, während es bei uns nur zehn bis zwanzig Prozent sind: Sie kaufen weniger und essen schlechter. Die Zahl der Hungernden hat weltweit seit der letzten Krise 2007/08 um 150 Millionen auf über eine Milliarde Menschen zugenommen. Ein Teil der teuren, nur die Symptome einer verfehlten Politik kurierenden Nahrungsmittelhilfe könnte eingespart werden, wenn die Industrieländer konsequente Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen von Hunger und Armut treffen würden.

Die EU sei auch deshalb gefordert, weil die USA im Zuge der Finanzmarktreform die Agrarrohstoffmärkte transparenter gemacht und Preislimits für Terminkontrakte eingeführt haben. Allerdings seien weder die USA noch die EU bereit, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das Spekulieren auf höhere Getreidepreise nicht zuletzt auf die steigende Nachfrage nach Agrarkraftstoffen setzt, die wiederum durch Subventionen und Beimischungsvorgaben für sog. Biosprit politisch generiert wird.

* Grafik: aus >>> W&E 08/2010 (Vergrößerung durch Anklicken)

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