25. November 2009

Finanzmarktregulierung in Europa: Zahnlose Tiger

Gastkommentar von Sven Giegold

Im September 2009 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag zu einem Verordnungspaket, mit dem ein Europäisches Netzwerk von Bank- und Finanzmarktaufsichtsagenturen geschaffen werden soll. Der Vorschlag war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber immer noch eine halbherzige Reaktion auf die Finanzkrise und voller Zugeständnisse an die ineffektiven nationalen Aufsichtssysteme der Mitgliedsstaaten. Statt einer einheitlichen Aufsichtsbehörde, die alle Fäden in der Hand hält, sind drei unabhängige Einheiten für Bank-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht vorgesehen, die durch einen Rat für Systemrisiken verbunden sein sollen.

Der überarbeitete Entwurf der Schwedischen Ratspräsidentschaft vom 19.11.2009 verwässert diese Vorschläge der Kommission nun weiter. Deutschland, Spanien und das Vereinigte Königreich sperren sich gegen eine schlagkräftige europäische Finanzmarktaufsicht und üben anscheinend erfolgreich Druck auf die Präsidentschaft aus.

In Krisensituationen werden die Aufsichtsbehörden nun vom Wachhund zum Zuschauer degradiert. Bei der Entscheidung, ob eine Krise vorliegt, stärkt der neue Entwurf die Rolle der Mitgliedstaaten, die erfahrungsgemäß die eigenen Standortinteressen vor die Stabilität des europäischen Finanzsystems stellen.

Die Regelungen zu den neuen Aufsichtsorganen sahen vor, dass die europäischen Behörden - im Notfall direkt - Finanzakteuren Vorschriften machen können. Dieses Recht soll jetzt gestrichen werden. Damit werden die neuen Behörden zu zahnlosen Tigern ohne echte Sanktionsmöglichkeiten. Während die Finanzkonglomerate längst europäisch aufgestellt sind, bleibt das Krisenmanagement damit den nationalen Aufsichtsbehörden überlassen. Eine wirksame und frühzeitige Reaktion auf eine drohende Krise ist so nicht mehr möglich.

Nicht einmal mehr der offensichtliche Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht soll noch ernsthafte Folgen haben. Nach dem ursprünglichen Entwurf konnte die Kommission eine Entscheidung treffen, wenn von den nationalen Aufsichtsbehörden das Gemeinschaftsrecht gebrochen oder nicht angewendet wurde. Nach dem Wunsch des Rates steht in diesem Fall der Kommission nur noch das Recht zu, eine Stellungnahme abzugeben.

Bislang sollten die europäischen Behörden zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung von Zusammenschlüssen und Übernahmen von Unternehmen Stellung nehmen können. Dieses Rederecht wird nun zum exklusiven Privileg der nationalen Aufsichten. Die europäischen Organe bekommen einen Maulkorb verpasst und dürfen nach Wunsch des Rates nur noch die Stimme erheben, wenn sie gefragt werden.

Die Grünen werden sich im Europäischen Parlament dieser Verwässerung einer wirksamen europäischen Finanzaufsicht strikt widersetzen. Gemeinsam mit möglichst vielen Partnerinnen und Partnern wollen wir eine breite Allianz im Europaparlament schmieden, die das Recht der EuropäerInnen auf ein stabiles Finanzsystem verteidigt und nationales Kirchturmdenken zurückweist.

Sven Giegold ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Koordinator der Grünen im Wirtschafts- und Währungsausschuss.

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