Gastkommentar von Uwe Hoering
Mit 'Hochrangigen Task Forces', institutionellen Reformen und immer neuen, immer umfassenderen Strategiepapieren antworten die politischen Hungerbekämpfer in den Vereinten Nationen, Bretton Woods-Institutionen und Regierungen auf den Skandal, dass einem Schlaraffenland von Nahrungsmitteln eine historisch noch nie erreichte Anzahl von Hungernden gegenüber steht. Reis- und Brotaufstände lieferten Schlagzeilen und Bilder, die die jahrzehntelangen, vollmundigen Feldzüge gegen den Hunger in der Welt gar nicht gut aussehen lassen. Also besteht Handlungsbedarf. Doch ursachenferne Reformen wie ein Herumzimmern an Governance-Architekturen ist kaum mehr als Aktionismus. Und auch die Ankündigungen, die Gelder für die Entwicklung der Landwirtschaft zu erhöhen, sind noch nicht viel mehr als die Öffentlichkeit beschwichtigende Absichtserklärungen, abgesehen davon, dass es sich im Vergleich mit den Rettungspaketen für Banken, Spekulanten und Industrien um weniger als Peanuts handelt.
Damit ist allerdings ein fröhliches Hauen und Stechen um die Führung im neuerlichen, globalen Feldzug gegen den Hunger ausgebrochen, und natürlich um den Anteil am finanziellen Kuchen. Allein die 20 G8-Milliarden von L'Aquila für die „Ernährungssicherheit“ übersteigen den Jahresetat der FAO um ein Vielfaches. Aber auch die Weltbank braucht frisches Geld, um ihren Apparat am Laufen zu haben – eine Art Rettungsschirm für ihr Kreditgeschäft. Kompetenzgerangel und Geld für die eigene Institution - darum wird es Mitte November in Rom vor allem gehen.
Die Weltbank hat längst ihre Pflöcke eingerammt, um sich als effizientester Hungerbekämpfer und Mittelabflusskanal zu präsentieren. Und sie hat mit den meisten Regierungen der Industrieländer und der Industrie starke Bataillone hinter sich. Aber auch die FAO, als UN-Organisation in den vergangenen Jahren zunehmend geschwächt, sieht in der Krise ihre Chance. Sie ist gerade dabei, durch einen Reformprozess ihr Image aufzupolieren und sich wieder zurück ins Spiel zu bringen. In einem geschickten Schachzug hat sie sich mit der Reform des Komitees für Ernährungssicherheit (CFS) die Unterstützung durch Zivilgesellschaft, transnationale Bauernbewegungen und nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen gesichert – als Vertreter von Millionen Bauern authentische Mitstreiter für das hehre Ziel.
Um sich als der beste Anwalt der Hungernden in der Welt zu profilieren, müssen die Aspiranten im Kampf um Geld und Führung jedoch zumindest ansatzweise auch Konzepte präsentieren, wie sie die Wende herbeiführen wollen. Daher werden die Diskussionen darüber, wer die Hungerkrise wie lösen will, spannend. Ein Erfolg wäre es allemal, wenn am Ende des Gipfels die Erkenntnis gewonnen hätte, dass das Agrobusiness keine Lösung für die Hungerkrise bieten kann, sondern dass in der Agrarpolitik eine grundlegende Verschiebung hin zur kleinbäuerlichen Landwirtschaft stattfinden muss – mit Landreformen, Schutz gegen Agrardumping, Zugang zu Wasser und lokalen Märkten, einer Stärkung bäuerlicher Organisationen usw. Denn eins ist klar: Der überwiegenden Mehrzahl der Hungernden wird weder durch neue Governance-Spielereien noch durch einige Milliarden mehr für Institutionen und Behörden geholfen werden, sondern nur dadurch, dass sie sich selbst versorgen können.
Dr. Uwe Hoering lebt als freier Publizist in Bonn und schreibt regelmäßig für W&E, zuletzt >>> Ausblick; Weltgipfel für Ernährungssicherheit. Wer dominiert die internationale Agrarpolitik? Sein Kommentar erschien auch auf seiner Website >>> www.globe-spotting.de.