14. Dezember 2008

Zwischen Posen und Kopenhagen: Grüner Deal für den Klimaschutz?

"Der Klimagipfel von Posen hat nicht mehr als die formalen Voraussetzungen dafür geschaffen, um in zwölf Monaten in Kopenhagen ein ambitioniertes globales Abkommen für die Zeit nach 2012 zu erreichen. Zugleich wurde deutlich, dass es bei zentralen Akteuren an dem politischen Willen mangelt, um ein solch weitreichendes internationales Abkommen auch wirklich zu erreichen", erklärte zum Ende der Klimaschutz-Verhandlungen der Germanwatch-Vorsitzende und W&E-Mitherausgeber Klaus Milke. Insbesondere bei vielen Industriestaaten fehlte die Bereitschaft, ernsthaft über eine Verringerung ihrer Emissionen bis 2020 um 25-40% gegenüber 1990 zu verhandeln. Dies entspricht den Vorgaben des IPCC. Eine Ausnahme bildeten hier die Europäische Union, Norwegen und die Schweiz.



Außerdem fehlt bei allen Industriestaaten die Bereitwilligkeit, in die notwendige großangelegte Finanz- und Technologiekooperation einzusteigen. Diese ist aber dringend notwendig, da im Mandat der Klimakonferenz von Bali 2007 das Ausmaß der Klimaschutzaktivitäten der Schwellen- und Entwicklungsländer an die Größenordnung dieser Kooperation geknüpft wurde. Dies hatte bereits Auswirkungen, die den weiteren Prozess belasten. Die Entwicklungsländer scheiterten beim Versuch Verhandlungen über einen zusätzlichen Finanzmechanismus zu installieren, der für den Zeitraum bis 2012 zuverlässige Geldströme für den Anpassungsfund liefern sollte. Ebenso gelang es ihnen nicht, Verhandlungsbereitschaft für einen großen Finanzmechanismus für die Zeit nach 2012 in der Abschlusserklärung zu verankern. Zu dieser zentralen Debatte waren alle Industrieländer kaum vorbereitet erschienen.

Der internationale Klimazug kann nur dann wieder flott gemacht werden, wenn die USA, China und die EU tatsächlich einen Grünen Deal zur Rettung der Wirtschaft und des Klimas organisieren. Massive Investitionen in Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und die dafür notwendige Infrastruktur könnten eine dreifache Dividende abwerfen. Erstens sind sie sehr arbeitsintensiv, schaffen Arbeitsplätze und kurbeln die Wirtschaft an. Zweitens lässt sich das bei der Öl-, Gas- und Kohlerechnung eingesparte Geld sinnvoll nutzen. Drittens wäre das der Einstieg in ernsthaften Klimaschutz. – Im nächsten Jahr wird es bis zum Kopenhagen-Gipfel im Dezember 2009 eine zunehmende Zahl von Zwischenverhandlungen geben.

2. Dezember 2008

Der Doha-Consensus und die Kakophonie der NGOs

Dass die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wiezcorek-Zeul das Konferenzergebnis als „Erfolg“ ansieht, überrascht nicht. Der Doha Consensus steht dem Monterrey Consensus in der Tat in kaum etwas nach. Eine Kürzung der Entwicklungshilfe wurde abgewehrt, alte Zusagen bekräftigt. Mit der positiven Bezugnahme auf die Accra-Aktionsagenda über die Wirksamkeit der Hilfe wurde er sogar erweitert. Die steigende Bedeutung innovativer Finanzierungsinstrumente wird anerkannt. Die Zusammenarbeit in Steuerfragen soll verstärkt werden, das Wie wurde allerdings auf 2009 vertagt.


Überraschender ist da schon die Kakophonie der Bewertungen durch die NGOs. Diese reichen von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Während die einen Signale sehen, „dass die Entwicklungsländer nicht im Stich gelassen werden“ (VENRO), beklagen die anderen, dass es die Konferenz nicht geschafft habe, „die UNO als das Zentrum der Antwort (auf die globale Finanzkrise) zu etablieren“ (Oxfam International). Wieder andere behaupten, „alle Augen wendeten sich jetzt dem G20-Treffen in London zu, auf dem die Bedürfnisse Afrikas umfassender berücksichtig werden müssen“ (ONE).

Derlei Einlassungen zeugen nicht gerade von strategischem Urteilsvermögen. Natürlich sind die in Doha gefassten Beschlüsse ambivalent. Aber der zentrale Punkt – und hier liegt das Gemeinsame Statement der Doha-NGO-Gruppe (DNG) genau richtig – ist, dass die UNO im Spiel bleibt bzw. ins Spiel kommt in der Debatte um die Reform des internationalen Finanzsystems. Ohne Vorbehalte und Gegenstimmen haben sich die Delegationen in Doha darauf geeinigt, dass „die UN eine Konferenz auf der höchsten Ebene über die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise und ihre Bedeutung für die Entwicklung abhalten wird“. Die Modalitäten dazu sollen spätestens bis März, also noch vor dem G20-Gipfel am 2. April in London, geklärt sein.

Natürlich hat auch diese Konferenz wieder viele Gelegenheiten verpasst. Vor allem mangelt es vielen Empfehlungen an der Festlegung verbindlicher Umsetzungsschritte. Anderes wurde völlig unzureichend behandelt oder auf künftige Treffen vertagt. Aber eine Weltkonferenz der UN zur globalen Wirtschafts- und Finanzkrise schon im nächsten Jahr – das haben die Organisationen der Zivilgesellschaft zwar gefordert, angesichts der schlechten Vorzeichen, unter denen die Doha-Konferenz stand, aber kaum zu hoffen gewagt.

Der Weg zu einem neuen Bretton Woods geht also weiter. Doch weder die G8 noch die G20 schreiben diese Geschichte allein. Die UN haben in diesen Prozess – auch das hat sich in Doha gezeigt – einiges einzubringen, fachliche Expertise und Kompetenz (>>> Apropos UN-Kompetenz in Wirtschaftsfragen), vor allem aber die Eigenschaft, das einzige globale Forum zu sein, das einer Neuen Internationalen Finanzarchitektur wirkliche Legitimität verleihen kann.

Eilmeldung: Der Consensus von Doha ist da

So schnell kann es gehen. Plötzlich scheinen alle Hürden aus dem Weg geräumt. Die UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung hat soeben auf Ministerebene das zuletzt entscheidende Hindernis der Verhandlungen aus dem Weg geräumt. Positiv formuliert: Es wird im nächsten Jahr eine UN-Konferenz „auf höchster Ebene“ geben, die die globale Wirtschafts- und Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung (der Entwicklungsländer) zum Gegenstand haben soll. Schon bis März 2009, also noch vor dem für April geplanten 2. Gipfel der G20, sollen die organisatorischen und prozeduralen Voraussetzungen geschaffen werden, und zwar vom Präsidenten der UN-Generalversammlung, Miguel d’Escoto, unter Einbeziehung des UN-Generalsekretär, Ban Ki-moon. Darauf haben sich zuletzt alle Verhandlungsgruppen, die EU, die G77 und auch die USA mit der JACUNZ-Gruppe (Japan, Australien, Kanada, USA und Neuseeland) geeinigt.

Erste Bewertung: Faktisch bedeutet dies, dass das Thema nicht von den G20 monopolisiert werden kann; die UNO bleibt im Prozess der Reformierung der globalen Finanzarchitektur. Und die Debatte um das Thema und die Re-Regulierung der Weltwirtschaft kann jetzt so richtig beginnen. Zwar waren heute Abend einige Details noch unklar (z.B. ob es gelingen würde, das eigentliche Follow-Up des Monterrey-Prozesses auf einen verbindlicheren Monitoring-Mechanismus anzuheben); aber dies bleibt zweitrangig, wenn es gelungen sein sollte, das Gewicht der UN-Mehrheit in der Reform der internationalen Finanzarchitektur zu erhöhen.

Siehe auch: UN-Pressemitteilung

1. Dezember 2008

Doha-Verhandlungen in der Schwebe


Von Klaus Schilder

Die Verhandlungen der UN-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung hier in Doha stecken in einer kritischen Phase. Nachdem am gestrigen Sonntag sowohl die G77 (Entwicklungsländer) als auch die EU Kompromissbereitschaft für den Text der Schlusserklärung signalisierten, brachten die USA die Verhandlungen anschließend mit einer großen Zahl von Änderungswünschen fast zum Stillstand. Es folgen hektische Stunden bilateraler Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, zuletzt unter Beteiligung der anwesenden Ministerinnen und Minister. Schließlich zog der Präsident der UN-Generalversammlung, Pater Miguel d’Escoto Brockmann, den bisherigen Verhandlungstext unter Verweis auf Fehler in den Formulierungen zurück. Ein Konsens scheint aber dennoch möglich.

Hauptstreitpunkt war bis zuletzt die derzeitige Weigerung der USA, Diskussionen über die umfassende Neuordnung der internationalen Finanzarchitektur unter dem Dach der UN in Form einer UN-Weltkonferenz zur Reform des internationalen Wirtschafts- und Finanzsystems – kurz: einer Bretton-Woods-II-Konferenz – zuzustimmen. EU und G77 hatten sich mit anderen Partnern darauf verständigt, die UN Generalversammlung mit der Ausarbeitung der genauen Modalitäten für eine solche Konferenz zu beauftragen. Die USA zielen dagegen darauf ab, einen solchen breit getragenen Gipfel zu verhindern oder zumindest auf eine wahrscheinlich folgenlose Erörterung im Rahmen der 64. Generalversammlung Ende 2009 zu reduzieren. Auch werden konkrete Festlegungen über den FfD-Folgeprozess einschließlich der Frage einer weiteren Überprüfungskonferenz im Jahr 2013 von den USA blockiert. VertreterInnen der Zivilgesellschaft forderten die UN-Mitgliedsstaaten daraufhin auf, notfalls gegen die undemokratischen Machtspiele der USA demonstrativ über eine Abschlusserklärung „minus eins“ abzustimmen (http://www.petitiononline.com/G192vote).

Gegenstand intensiver politischer Beratungen auf Ministerebene waren zudem die Abschnitte, die sich mit Verpflichtungen zum Kampf gegen den Klimawandel und dessen Finanzierung sowie mit systemischen Reformen im Welthandelsregime beschäftigen. Auf Betrieben der USA wurden schließlich die Aufforderung zur Erreichung der internationalen ODA-Verpflichtungen von 0,7% des BNP abgeschwächt. Positiv dagegen: Die von vielen NGOs, darunter dem Netzwerk für Steuergerechtigkeit, geforderte Stärkung des UN-Komitees für Steuerfragen ist dagegen unstrittig, wenn auch ohne Festlegung auf Aufwertung zu einem zwischenstaatlichen Gremium.

Auch wenn ein Kompromiss , der das Gesicht der teilnehmenden Regierungsvertreter wahrt, nun auch ohne nächtliche Verhandlungsrunde möglich scheint so ist schon jetzt klar, dass es ein äußerst schwacher Kompromiss sein wird, der zumindest Zweifel an der Handlungsfähigkeit der UN angesichts der Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, insbesondere für die Ärmsten der Welt, nährt. Die Arbeit fängt nach Doha also erst richtig an.

Apropos UN-Kompetenz in Wirtschaftsfragen: Aussichten für 2009

Als Konsequenz der globalen Finanzkrise erwarten UN-Ökonomen im nächsten Jahr einen Rückgang des weltweiten Pro-Kopf-Einkommens und für die Entwicklungsländer rückläufige Exporteinnahmen und Kapitalzuflüsse sowie steigende Kreditkosten. Der US-Dollar dürfte erneut an Wert verlieren, wobei eine „harte Landung“ nicht ausgeschlossen ist. Auch einen Rückgang der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) sagen die UN-Experten in dem heute veröffentlichten Outlook-Kapitel der „World Economic Situation and Prospects 2009“ voraus.

Der Bericht wird in diesem Jahr möglicherweise etwas ernster genommen als in den Vorjahren, nachdem sich gezeigt hat, dass die Prognosen der UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Fragen (DESA) und der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in den vergangenen Jahren durchweg eher eingetroffen sind als die der arrivierten Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank oder der nationalen Mainstream-Institute, etwa der deutschen „Wirtschaftsweisen“. Wenn die Financial Times Ende letzter Woche behauptete, niemand habe die Finanzkrise vorausgesagt, dann ist das also nicht nur für die Individuen der Ökonomen-Zunft, sondern auch für die Institutionen schlicht falsch. Es gibt Wirtschaftswissenschaftler wie Robert Shiller und Nouriel Roubini, die die aktuelle Krise vorhersagten, und eben auch die genannten UN-Institutionen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten (s. z.B. >>> W&E-Hintergrund Jan 2008: Von der Subprime-Krise zur globalen Rezession?).

Jomo Kwame Sundaram, UN Assistant Secretary-General for Economic Development, erfüllt dieses gute Abschneiden mit einer gewissen Genugtuung, aber nicht mit Schadenfreude. Denn es geht auf diesem Gebiet ja immer auch um das Leid und das Schicksal von Millionen von Menschen. Die Leute sollten aber vielleicht auch bei den Empfehlungen besser hinhören, die aus New York und Genf kommen, als in der Vergangenheit, als von den schlechten Botschaften niemand etwas wissen wollte. Der neueste Prospects-Report, dessen vollständige Version Anfang Januar 2009 erscheint, fordert u.a.
* eine grundlegende Revision der Governance-Strukturen von IWF und Weltbank,
* grundlegende Reformen des bestehenden Systems der Regulierung und Aufsicht über die Finanzmärkte,
* eine Reform des derzeitigen internationalen Reservesystems, weg von der nahezu ausschließlichen Orientierung auf den Dollar und hin zu einem Multiwährungsstandard, sowie
* eine Neuorganisation der globalen Liquiditätsversorgung und Ausgleichsfinanzierung durch ein multilaterales und regionales Pooling nationaler Währungsreserven ohne die berüchtigte politische Konditionalität, wie sie IWF und Weltbank praktizieren.