Apropos UN-Kompetenz in Wirtschaftsfragen: Aussichten für 2009
Als Konsequenz der globalen Finanzkrise erwarten UN-Ökonomen im nächsten Jahr einen Rückgang des weltweiten Pro-Kopf-Einkommens und für die Entwicklungsländer rückläufige Exporteinnahmen und Kapitalzuflüsse sowie steigende Kreditkosten. Der US-Dollar dürfte erneut an Wert verlieren, wobei eine „harte Landung“ nicht ausgeschlossen ist. Auch einen Rückgang der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) sagen die UN-Experten in dem heute veröffentlichten Outlook-Kapitel der „World Economic Situation and Prospects 2009“ voraus.
Der Bericht wird in diesem Jahr möglicherweise etwas ernster genommen als in den Vorjahren, nachdem sich gezeigt hat, dass die Prognosen der UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Fragen (DESA) und der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in den vergangenen Jahren durchweg eher eingetroffen sind als die der arrivierten Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank oder der nationalen Mainstream-Institute, etwa der deutschen „Wirtschaftsweisen“. Wenn die Financial Times Ende letzter Woche behauptete, niemand habe die Finanzkrise vorausgesagt, dann ist das also nicht nur für die Individuen der Ökonomen-Zunft, sondern auch für die Institutionen schlicht falsch. Es gibt Wirtschaftswissenschaftler wie Robert Shiller und Nouriel Roubini, die die aktuelle Krise vorhersagten, und eben auch die genannten UN-Institutionen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten (s. z.B. >>> W&E-Hintergrund Jan 2008: Von der Subprime-Krise zur globalen Rezession?).
Jomo Kwame Sundaram, UN Assistant Secretary-General for Economic Development, erfüllt dieses gute Abschneiden mit einer gewissen Genugtuung, aber nicht mit Schadenfreude. Denn es geht auf diesem Gebiet ja immer auch um das Leid und das Schicksal von Millionen von Menschen. Die Leute sollten aber vielleicht auch bei den Empfehlungen besser hinhören, die aus New York und Genf kommen, als in der Vergangenheit, als von den schlechten Botschaften niemand etwas wissen wollte. Der neueste Prospects-Report, dessen vollständige Version Anfang Januar 2009 erscheint, fordert u.a.
* eine grundlegende Revision der Governance-Strukturen von IWF und Weltbank,
* grundlegende Reformen des bestehenden Systems der Regulierung und Aufsicht über die Finanzmärkte,
* eine Reform des derzeitigen internationalen Reservesystems, weg von der nahezu ausschließlichen Orientierung auf den Dollar und hin zu einem Multiwährungsstandard, sowie
* eine Neuorganisation der globalen Liquiditätsversorgung und Ausgleichsfinanzierung durch ein multilaterales und regionales Pooling nationaler Währungsreserven ohne die berüchtigte politische Konditionalität, wie sie IWF und Weltbank praktizieren.
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