13. November 2015

Migrationsgipfel in Valletta: Tauschhandel mit ungedeckten Schecks

Eindringlich warnten entwicklungspolitische NGOs vor dem Migrationsgipfel von Valletta, die Entwicklungs-zusammenarbeit der EU und ihrer Mitgliedsländer dürfe nicht als Druckmittel für die Kooperation beim Grenzmanagement und der Rückführung von Flüchtlingen und Migranten missbraucht werden. „Es darf keine faulen Deals auf Kosten von Flüchtlingen geben.“ (VENRO) Tatsächlich ist die Übereinkunft, die gestern auf dem EU-Afrika-Gipfel in Villetta/Malta betroffen wurden, genau das: ein fauler Deal. Wie weit er auf Kosten von Flüchtlingen geht, ist zwar noch offen, da auf Drängen der Afrikaner eine Präferenz für „freiwillige Rückkehr“ in die Abschlusserklärung geschrieben wurde. Aber das zugleich verabschiedete Aktionsprogramm folgt genau dem Prinzip „Mehr Finanzhilfe gegen die Rücknahme unerwünschter afrikanischer Flüchtlinge aus Europa“.


Es wird gesagt, die Beschlüsse stellten den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zwischen der EU und der Afrikanischen Union dar. Die Afrikaner wollten im Gegenzug zu ihrer Bereitschaft, Flüchtlinge zurückzunehmen, mehr legale Zuwanderungsmöglichkeiten für Afrikaner nach Europa. Letztlich bleibt es aber jedem EU-Mitgliedsland selbst überlassen, wie viel legale Zuwanderung es gestattet. Der beschlossene „Treuhandfonds“ mit 1,8 Mrd. € aus dem EU-Haushalt kommt zwar zusätzlich zu den bisherigen 20 Mrd. € Entwicklungshilfe der EU für Afrika, ist aber klar als Instrument des Migrationsmanagements konzipiert. Er soll durch Beiträge der Mitgliedsländer auf das Doppelt erhöht werden, davon aber sind bislang lediglich gut 70 Mio. € zugesagt.

Dabei soll der Fonds einen schier unübersehbaren Aufgabenkatalog bedienen: neue Beschäftigung für junge Männer und Frauen schaffen, Klein- und Kleinstunternehmen fördern, die Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung verbessern, die „Migrationssteuerung“ verbessern und auch freiwillige oder abgeschobene Rückkehrer aus Europa wieder eingliedern, und das in 23 Ländern, von Burkina Faso bis Tschad, von Äthiopien bis Uganda, von Ägypten bis Tunesien. Mit Ursachenbekämpfung hat dies allenfalls am Rande zu tun, wohl aber mit dem Versuch, Flüchtlinge von Europa möglichst fernzuhalten. Am Rande sei bemerkt: In der Türkei, über die nach dem Afrika-Gipfel beraten wurde, will sich die EU die Flüchtlingsabwehr rund 3 Mrd. € kosten lassen (vornehmlich zur schärferen Überwachung der Grenzen und zum Bau von Flüchtlingslagern).

EU-Parlamentspräsident Schulz gab derweil zum Besten, die EU-Entwicklungshilfe sei selbstverständlich an „Good Governance“ in den Zielländern geknüpft. Unter den Kandidaten des neuen Treuhandfonds sind aber u.a. folgende Länder mit drastischen Menschenrechtsverletzungen: Eritrea, Sudan, Uganda und Libyen. Der Präsident des Niger, Mahamadou Isoufou, kritisierte in Valletta hingegen nicht nur die mangelhafte Ausstattung des Fonds, sondern das System der Entwicklungshilfe überhaupt: „Was wir wollen, ist nicht nur öffentliche Entwicklungshilfe in dieser Form, sondern Reform der Global Governance.“ Vor allem der Welthandel müsse fairer werden. Hier hat die EU in der Tat auch nach Valletta noch viel zu tun.

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