14. November 2015

G20 in Antalya: Der Gipfel; die zehnte

In seiner regulären Umfrage vor dem 10. G20-Gipfel, der am 15./16. November in Antalya/Türkei stattfindet, hat der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB; engl.: ITUC) herausgefunden, dass es für acht von zehn ArbeitnehmerInnen in den G20-Staaten für den Lebensstandard ihrer Familien von großer Bedeutung wäre, wenn sie monatlich 100 Dollar mehr Gehalt bzw. Lohn bekämen – ein Blickpunkt auf die wachsende Ungleichheit in der Welt. Mehr „Inklusivität“ steht zwar auf dem Programm des Gipfels in der Türkei – im Wesentlichen geht es jedoch um Wachstum, schieres Wachstum, nicht einmal „Wachstum mit Umverteilung“, wie ein altes Schlagwort aus der entwicklungspoltischen Debatte lautet.


Seit zwei bis drei Jahren haben sich die G20 jetzt auf die Fahnen geschrieben, das schleppende Wachstum der Weltwirtschaft anzuschieben. Doch seit 2012 korrigiert der IWF seine Wachstumsprognosen nun nach unten, zuletzt – im Oktober 2015 – prognostizierte er gerade nochmal 3,1% weltweit. Dieses soll sich nach einer neuen IWF-Note an den G20-Gipfel allerdings im nächsten Jahr auf 3,6% erhöhen, aber nur, wenn die Risiken der weltwirtschaftlichen Entwicklung erfolgreich gesteuert werden – sonst könnte das Wachstum erneut entgleisen. Diese Risiken sind – der IWF-Note zufolge – die anstehende Zinserhöhung durch die US-Notenbank, der Übergang Chinas zu einem neuen Wachstumsmodell (vom Export zum Binnenkonsum) und der zu Ende gehende Superzyklus hoher Rohstoffpreise.

Eine herausragende Rolle in der Wachstumsagenda der G20 spielt die Förderung der Infrastruktur – das ist gar nicht mal so falsch – doch die Form, in der das geschieht, ist mehr als problematisch. So propagieren die Weltbank und die OECD in Papieren für die G20 vor allem Öffentlich-Private Partnerschaften (PPP) als Königsweg der Infrastrukturförderung. Dabei werden öffentliche Finanzmittel als „Hebel“ eingesetzt, um private Investitionen zu mobilisieren – allerdings mit beträchtlichen Risiken für die öffentliche Hand, wie eine Studie des Eurodad-Netzwerks nachweist: Gehen die Projekte schief, bleibt der Staat meistens auf den Kosten sitzen – bis hin zur Übernahme der privaten Schulden in die öffentlichen Verbindlichkeiten.

Der Aufgabenberg des Antalya-Gipfels geht allerdings weit über die Wachstumsagenda hinaus, wie sich an den geplanten Arbeitsessen der Chefs ablesen lässt: Am ersten Gipfeltag geht es um Entwicklungsfragen und Klimawandel sowie um „Globale Herausforderungen: Terrorismus und Flüchtlingskrise. Am zweiten Tag stehen dann die G20-Kernthemen Finanzregulierung, internationale Steuern, Anti-Korruption und IWF-Reform auf der Tagesordnung sowie eine „Resilienz-Sitzung“, die sich mit Handels- und Energiefragen befassen soll. Eine Mammut-Agenda fürwahr, aber es bleibt abzuwarten, ob es wesentliche Ergebnisse geben wird.

Das wichtigste Gipfelereignis ist vielleicht die Präsentation des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zum Abschluss. China wird im Dezember die G20-Präsidentschaft für 2016 übernehmen – eine Perspektive, mit der vielleicht wieder etwas Leben in die Bude kommt, die vor sieben Jahren so hoffnungsvoll eröffnet wurde, aber dann nach und nach den aufbrechenden Interessengegensätzen anheimfiel (>>> W&E-Hintergrund März-April2015: G20 zwischen Geopolitik und Finanzregulierung).

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