Von Antalya nach Hangzhou: Welche Zukunft hat die G20?
Es ist nichts Neues,
dass die Themen eines Wirtschaftsgipfels durch aktuelle politische Krisen
überdeckt werden. Doch noch nie haben politische Erschütterungen die offizielle
Agenda so stark in den Hintergrund gedrängt, wie die brutalen Terroranschläge
von Paris auf dem G20-Gipfel Anfang dieser Woche. Man mag argumentieren,
angesichts der schnöden Wachstumsagenda der türkischen G20-Präsidentschaft sei
dies halb so schlimm. Und unter dem Druck der Pariser Ereignisse sei wenigstens
der seit der australischen Präsidentschaft im letzten Jahr klaffende Spalt
innerhalb der G20 wieder etwas geschlossen worden. Doch dies bliebe
unbefriedigend angesichts der Bedeutung eines Gremiums, das sich selbst zum
Hauptforum der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ernannt hat.
Der
Gipfel von Antalya stand schon angesichts des kurz zuvor vor dem Hintergrund
einer martialischen Drohkulisse errungenen Wahlsiegs der Gastgeber unter einem
schlechten Stern. Das Thema „Kampf gegen den Terrorismus“ war zwar –
sinnigerweise zusammen mit der Flüchtlingskrise – für das zweite Arbeitsessen
der Gipfelteilnehmer eingeplant. Doch die wirtschafts- und finanzpolitische
Agenda der G20 war schon seit geraumer Zeit zerfleddert, wie auch das in Antalya
verabschiedete „Leader’s Communiqué“ mit seinen dutzenden von Annextexten wieder deutlich machte. In der Substanz
gelang es gerade einmal, den von der OECD erarbeiteten Aktionsplan gegen
Gewinnverlagerung und Steuervermeidung (BEPS) zu verabschieden – ein Dokument
mit einigen Fortschritten, aber vielen weißen Flecken (>>> Bauchlandung statt Systemwechsel). Zur tatkräftigen
Bearbeitung der heraufziehenden neuen Schuldenkrise der Schwellenländer reichte
die Kraft zu nicht mehr (geschweige denn zu Anstößen in der Klimapolitik, die
ohnehin nie zu Kerngeschäft der G20 gehörte).
Dabei
ist die private Verschuldung in den Schwellenländern inzwischen höher als in
den Industrieländern vor Ausbruch der Finanzkrise. Sieben Billionen Dollar
sollen seit Beginn der lockeren Geldpolitik in den USA auf der Suche nach
lukrativen Anlagefeldern in die Schwellenländer geflossen sein. Und die „Hebelung“
dieser Summen hat zu Schuldenbergen geführt, deren wirkliche Höhe kaum noch zu
messen ist. Da aus privaten Schulden sehr schnell öffentliche Schulden werden
können, wenn die Krise eklatiert, wäre die Suche nach adäquaten Regeln für
staatliche Insolvenzfälle eine erstrangige Aufgabe für die G20. Doch
Fehlanzeige. Ein Lichtblick ergab sich dagegen außerhalb der G20-Strukturen
durch das grüne Licht für die Aufnahme des Renminbi in den Währungskorb der
Sonderziehungsrechte (SZR) durch den IWF. Dies und der Übergang der
G20-Präsidentschaft an China am kommenden 1. Dezember dürften dazu beitragen,
die Volksrepublik stärker in die Strukturen der ökonomischen Global Governance
einzubeziehen.
Auf
genau dieser Linie liegt auch das Programm, das Chinas Staatschef Xi Jinping in
Antalya andeutete. Der nächste G20-Gipfel wird am 4./5. September 2016 in
Hangzhou in der ostchinesischen Provinz Zheijang stattfinden. Sein Thema „Building
an innovative, invigorated, interconnected and inclusive world economy“ (etwa:
Aufbau einer innovativen, starken, miteinander verbundenen und inklusiven
Weltwirtschaft). Das klingt anders als das blasse „Together for inclusive and
robust growth“ der türkischen Präsidentschaft mit dem unglaubwürdigen Zusatz „With
the power of women“. Tatsächlich sagte Xi in Antalya, man wolle sich auf neue,
innovative Wachstumsmuster, die Verbesserung der finanziellen und
wirtschaftlichen Governance, die Förderung von Handel und Investitionen sowie
einer inklusiven Entwicklung konzentrieren.
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