G20 in Davos: Freihandelsrhetorik und Marktapologetik
Tony Abbott: G20-Präsident und Marktapologet |
Das Weltwirtschaftsforum war
in den vergangenen Jahren stets der Ort, den die jeweilige G20-Präsidentschaft
zur Verkündung ihrer Agenda nutzte. Umso verwunderlicher ist es, wie wenig von
der gestrigen Rede des australischen Premierministers Tony Abbott Notiz genommen
wurde. Nachdem es schon unter der mexikanischen (2012) und der russischen
Präsidentschaft (2013) immer schwieriger wurde, substantielle Konsense im
Rahmen der G20 zu erreichen, ist dies ein weiteres Indiz dafür, wie tief der
Stern der G20 inzwischen gesunken ist. Jedenfalls sagt dieses Desinteresse
weniger über die (nach wie vor beachtliche) Bedeutung von Davos als vielmehr
über den Abstieg der G20 aus.
In
der Tat fiel Abbotts Rede noch dünner aus, als von vielen befürchtet worden
war. Freihandel, Freihandel, Freihandel soll nach Abbott den Ton der G20-Agenda
im Jahr der australischen Präsidentschaft angeben. Dann kommt erst einmal nichts,
und dann folgen Steuern, Infrastruktur und Finanzmarktregulierung. Steuern
sollen nach Abbott überall „fair und niedrig“ sein, und
Infrastruktur-Investitionen, seit der südkoreanischen Präsidentschaft (2010)
ein Hauptpunkt auf der G20-Agenda, sollen weiter gestärkt werden. Doch „Handel
kommt zuerst“, so Abbott. „Immer wenn eine Person frei mit einer anderen Handel
treibt, wächst der Wohlstand“, so sein reichlich naives Credo.
Die
Freihandelsrhetorik überrascht nicht, gilt Abbott, der auch für
klimapolitisches Roll-back steht und für die Abkehr Australiens von den
Kyoto-Zielen verantwortlich ist, doch als Hardcore-Vertreter des Marktradikalismus.
Alle Arten von Freihandel wolle die australische Regierung in ihrem G20-Jahr
fördern, unilaterale, bilaterale, plurilaterale und multilaterale. Dabei finden
diese Abkommen fast alle außerhalb und ohne die Initiativen der G20 statt, auch
die neue, von den USA, der EU, Japan und anderen am Rande des diesjährigen
Weltwirtschaftsforums verkündete plurilaterale Initiative zur Liberalisierung
des Handels mit „grünen Produkten“ wie Solarpanels etc. Entsprechend bescheiden
klang es dann auch, als Abbott konkret wurde: „Zumindest sollten die G20 ihre
Entschlossenheit erneuern, alle protektionistischen Maßnahmen zu unterlassen,
die seit der Krise in Kraft gesetzt wurden.“ – Es sind wenige solche Aktionen,
die hier genannt werden könnten.
Ironischerweise
haben die G20 für die Zeit der australischen Präsidentschaft den Abschluss
ihrer Finanzmarktreformen, insbesondere auch die Regulierung des Sektors der
Schattenbanken, vorgesehen. Es war nicht zu erwarten, dass der australische
Premier beklagen würde, wie sehr diese Regulierungsagenda der G20 inzwischen
verwässert wurde (>>> Wie G20-Initiativen verdampfen), hat er doch wiederholt vor zu viel Regulierung
und staatlicher Restriktion gegenüber der Wirtschaft gewarnt. In Davos wartete
er mit der Erkenntnis auf, die Finanzkrise sei „keine Krise der Märkte, sondern
der Governance“ gewesen. Das passt: Schließlich habe die Krise auch „keines der
Grundgesetze des Kapitalismus verändert“. Also: Freihandel und freier Markt
über alles!
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