24. Januar 2014

G20 in Davos: Freihandelsrhetorik und Marktapologetik

Tony Abbott: G20-Präsident und Marktapologet
Das Weltwirtschaftsforum war in den vergangenen Jahren stets der Ort, den die jeweilige G20-Präsidentschaft zur Verkündung ihrer Agenda nutzte. Umso verwunderlicher ist es, wie wenig von der gestrigen Rede des australischen Premierministers Tony Abbott Notiz genommen wurde. Nachdem es schon unter der mexikanischen (2012) und der russischen Präsidentschaft (2013) immer schwieriger wurde, substantielle Konsense im Rahmen der G20 zu erreichen, ist dies ein weiteres Indiz dafür, wie tief der Stern der G20 inzwischen gesunken ist. Jedenfalls sagt dieses Desinteresse weniger über die (nach wie vor beachtliche) Bedeutung von Davos als vielmehr über den Abstieg der G20 aus.


In der Tat fiel Abbotts Rede noch dünner aus, als von vielen befürchtet worden war. Freihandel, Freihandel, Freihandel soll nach Abbott den Ton der G20-Agenda im Jahr der australischen Präsidentschaft angeben. Dann kommt erst einmal nichts, und dann folgen Steuern, Infrastruktur und Finanzmarktregulierung. Steuern sollen nach Abbott überall „fair und niedrig“ sein, und Infrastruktur-Investitionen, seit der südkoreanischen Präsidentschaft (2010) ein Hauptpunkt auf der G20-Agenda, sollen weiter gestärkt werden. Doch „Handel kommt zuerst“, so Abbott. „Immer wenn eine Person frei mit einer anderen Handel treibt, wächst der Wohlstand“, so sein reichlich naives Credo.

Die Freihandelsrhetorik überrascht nicht, gilt Abbott, der auch für klimapolitisches Roll-back steht und für die Abkehr Australiens von den Kyoto-Zielen verantwortlich ist, doch als Hardcore-Vertreter des Marktradikalismus. Alle Arten von Freihandel wolle die australische Regierung in ihrem G20-Jahr fördern, unilaterale, bilaterale, plurilaterale und multilaterale. Dabei finden diese Abkommen fast alle außerhalb und ohne die Initiativen der G20 statt, auch die neue, von den USA, der EU, Japan und anderen am Rande des diesjährigen Weltwirtschaftsforums verkündete plurilaterale Initiative zur Liberalisierung des Handels mit „grünen Produkten“ wie Solarpanels etc. Entsprechend bescheiden klang es dann auch, als Abbott konkret wurde: „Zumindest sollten die G20 ihre Entschlossenheit erneuern, alle protektionistischen Maßnahmen zu unterlassen, die seit der Krise in Kraft gesetzt wurden.“ – Es sind wenige solche Aktionen, die hier genannt werden könnten.

Ironischerweise haben die G20 für die Zeit der australischen Präsidentschaft den Abschluss ihrer Finanzmarktreformen, insbesondere auch die Regulierung des Sektors der Schattenbanken, vorgesehen. Es war nicht zu erwarten, dass der australische Premier beklagen würde, wie sehr diese Regulierungsagenda der G20 inzwischen verwässert wurde (>>> Wie G20-Initiativen verdampfen), hat er doch wiederholt vor zu viel Regulierung und staatlicher Restriktion gegenüber der Wirtschaft gewarnt. In Davos wartete er mit der Erkenntnis auf, die Finanzkrise sei „keine Krise der Märkte, sondern der Governance“ gewesen. Das passt: Schließlich habe die Krise auch „keines der Grundgesetze des Kapitalismus verändert“. Also: Freihandel und freier Markt über alles!

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