Aufstrebende Volkswirtschaften unter Druck: Ende eines Zyklus
Währungsabsturz in Schwellenländern (Quelle: FT) |
Die jüngsten Zinssteigerungen
haben die seit nunmehr zwei Wochen anhaltenden Währungsturbulenzen in wichtigen
Schwellenländern nicht stoppen können. Zunächst Indien und Brasilien, dann die
Türkei und zuletzt auch Südafrika stemmten sich mit der Anhebung ihrer
Zinssätze gegen den Abwärtstrend ihrer Währungen, der gelegentlich auch bereits
als Ausverkauf der Emerging Economies
bezeichnet wird. Die Leitzinsen belaufen sich inzwischen in Brasilien auf
10,5%, in der Türkei auf 10,0, in Argentinien auf 9,0, in Indien auf 8,0, in
Indonesien auf 7,5 und in Südafrika auf 5,5%. Dem stehen historische
Niedrigstzinsen in den Industrieländern gegenüber, in der Eurozone
beispielsweise 0,25%.
Doch
das Kalkül, mit Zinssteigerungen den Währungsverfall (s. Abb.) aufzuhalten, ist
ein zweischneidiges Schwert. Denn Zinssteigerungen verstärken u.U. die ohnehin
fragile Situation in vielen Schwellenländern, die durch sich verlangsamendes
Wachstum gekennzeichnet ist. Wenn damit überhaupt neues Kapital angelockt wird,
dann solches von der kurzfristig spekulativen Art, das auf die Ausnutzung von
Zinsdifferenzen („Carry-Trades“) aus ist. Kapital zur Finanzierung produktiver
Investitionen, von Infrastruktur und nachhaltiger Entwicklung kann auf diesem
Weg ganz bestimmt nicht beschafft werden. Und wie sich derzeit zeigt, gelingt
es auf diesem Wege auch nicht, den Währungsverfall zu stoppen.
Die
gegenwärtigen Währungsturbulenzen – ob es sich in verschiedenen Fällen bereits
um Währungskrisen handelt, sei einmal dahin gestellt – signalisieren allgemein
ausgedrückt das Ende eines Boom-und-Bust-Zyklus, der in zwei Wellen – von etwa
2000 bis zum Beginn der globalen Finanzkrise 2008 und dann nochmal 2010-12 –
billiges Kapital aus den Industrie- in die Schwellenländer gespült hatte. Unter
den Bedingungen der lockeren Geldpolitik im Norden aufgenommen, sollte es dort
von den höheren Zinssätzen profitieren. Ein großer Teil dieser Kapitalflüsse
bestand aus sog. Carry-Trades. Dabei nehmen die sog. Anleger einen Kredit in
einer niedrig verzinsten Währung auf und legen es in einer Währung mit einem
höheren Zinsniveau an. Die Zinsdifferenzen, auf die spekuliert wird, können
allerdings nur so lange realisiert werden, wie die Zinsgewinne nicht durch
Währungsverluste aufgefressen werden. An diesem Punkt sind wir seit dem letzten
Sommer angelangt.
Auch
wenn es andere Faktoren gibt, die teilweise in der inneren Entwicklung mancher
Schwellenländer begründet sind, ist der entscheidende Hintergrund die Straffung
der Geldpolitik, vor allem in den USA, also die quantitative Reduktion des Bond-Aufkaufprogramms
der FED, auch „Tapering“ genannt, die im letzten Sommer als Möglichkeit
angekündigt wurde und seit Anfang 2014 sukzessive umgesetzt wird. Bereits die
Ankündigung hat zu erheblichen Unruhen geführt, da die Anleger auf wieder höhere
Gewinne in den USA hoffen und in „sichere Häfen“ flüchten. – Es ist
verständlich, dass das rücksichtslose und im Alleingang, ausschließlich mit
Blick auf die US-Konjunktur erfolgende Tapering in den Schwellenländern als
absolut ärgerlich angesehen wird, waren diese doch auf dem Höhepunkt der
Finanzkrise im kooperativen Rahmen der G20 zu weitgehenden Konjunkturprogrammen
bereit, die die Welt vor einer zweiten Großen Depression bewahrt haben. Jetzt
fühlen sie sich vielfach fallengelassen wie eine heiße Kartoffel. Der Vorgang
sagt einiges aus über den Abstieg der G20, die derzeit eher als Statist der
weltwirtschaftlichen Entwicklung erscheint denn als „führendes Forum der
weltwirtschaftlichen Koordinierung“, wie einmal lautstark verkündet worden war.
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