St. Petersburg: Wozu die G20 (nicht) gebraucht werden
Kein Zweifel, die G20, die sich in dieser Woche zu ihrem
Gipfel in St. Petersburg treffen, werden gebraucht. Aber nicht als Plattform
zur propagandistischen Vorbereitung einer militärischen Strafaktion gegen
Syrien. Auch nicht als Gremium, um eine politische Lösung der Syrienkrise
anzubahnen. Dazu gibt es die Vereinten Nationen, und obendrein müssten Länder aus
der Region einbezogen werden, die in der G20 gar nicht Mitglied sind. Die G20
werden genau dazu gebraucht, wofür sie nach eigener Aussage geschaffen wurden:
als Forum der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und
Koordinierung.
Das Problem ist nur, dass diese Zusammenarbeit stark an
Schwung verloren hat, wenn es sie jemals gegeben hat, bzw. dass auch die
Rhetorik der wirtschaftspolitischen Koordinierung nationale Alleingänge nicht
verbergen konnte. Dabei gibt es auch über fünf Jahre nach dem Ausbruch der
globalen Finanzkrise genügend Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die den
Imperativ der internationalen Kooperation unterstreichen. Ein gutes Beispiel
dafür ist die gegenwärtigen Volatilität der Währungen der Emerging Economies. Diese zeige, so heißt es in einer Erklärung des südafrikanischen
Präsidentenbüros am Vorabend des Gipfels, „dass Entscheidungen, die Länder
ausschließlich auf der Basis ihrer eigenen nationalen Interessen treffen,
ernsthafte Konsequenzen für andere Länder haben können“.
In der Tat war die Politik des lockeren Geldes (QE: „quantitative
easing“), deren bevorstehende Beendigung schon heute zu wirtschaftlichen
Erschütterungen in vielen Schwellenländern führt (>>> Wieder da: Das Gespenst der Asienkrise), niemals Gegenstand
internationaler Verhandlungen, weder in der G20 oder anderswo. Dabei ist der
Kollateralschaden dieser Politik für viele Entwicklungsländer bekannt: Die Schwemme
billigen Geldes führte zu massivem Carry Trade, zur Überbewertung vieler
Währungen, zum Aufbau eines nicht-nachhaltigen Kreditbooms und jetzt – nach der
Umkehr der Kapitalströme – zu drohenden Währungskrisen, die sich zu erneuten
Finanzkrisen ausweiten könnten.
Doch warum haben die USA, die Eurozone und zuletzt auch
Japan den Weg des QEs gewählt, wenn dessen Ergebnisse bestenfalls diskutierbar
sind, schlechtestenfalls aber die nächste Runde der Finanzkrisen vorbereiten,
fragte Ha-Joon Chang von der Uni Cambridge gestern in einem Kommentar für den Guardian. Seine
Antwort ist so einfach wie nachvollziehbar: Weil es die einzige Option war, mit
der sich die Hoffnung verband, eine wirtschaftliche Erholung – wie langsam und
schwach auch immer – in Gang zu setzen, ohne das wirtschaftliche Modell der
letzten Jahre ändern zu müssen – ein Modell, in dem kurzfristige Finanzprofite
über langfristige Investitionen in den Ausbau der produktiven Kapazitäten den
Vorrang inne hatten. „Eine Erholung, basierend auf einem Rebalancing der
Wirtschaft, hätte Politiken erfordert, die dem Finanzsektor weh getan hätten“,
so Chang.
Was bedeutet dies für den G20-Gipfel in St. Petersburg?
Offensichtlich nichts Gutes. Länder wie Südafrika wollen zwar mehr globales
Handeln gegen die finanziellen Turbulenzen auf ihren Märkten, für die sie nur
teilweise verantwortlich sind. Die USA werden sich jedoch in das „Tapering“ ihrer
Geldpolitik genauso wenig hinein reden lassen wie am Beginn des QEs.
Wahrscheinlich bleibt daher wieder einmal nur der Umweg über den regionalen
Weg. Dass die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika)
ein separates Treffen am Rande des G20-Gipfels planen, ist ein Lichtblick. Immerhin
sollen dort zwei Projekte weiter vorangetrieben werden, die auf dem letzten
BRICS-Gipfel in Durban beschlossen wurden: die Neue Entwicklungsbank und das
Currency Reserve Arrangement der BRICS.
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