18. September 2013

Vorwand Globalisierung: Perversion der Begriffe

Demonstration in Irland
In der Überschrift signalisiert König Willem-Alexander der Niederlande noch eine "Reform" des Sozialstaats. Im Text des Artikels selbst wird daraus die Ankündigung des "Endes des holländischen Wohlfahrtsstaates". Die Regierung in Amsterdam liefert derzeit ein bezeichnendes Beispiel dafür, wie die Globalisierung als Vorwand genutzt wird, um nicht nur sozialstaatliche Errungenschaften zu schleifen, sondern dabei gleichzeitig die Bedeutung angestammter Begrifflichkeiten auf den Kopf zu stellen. Vorbei sind die Zeiten, als mit "Reformen" wie selbstverständlich positive Verbesserungen assoziiert wurden. Heute ist das Gegenteil der Fall. Doch das gewendete Reformgerede ist keine Ausnahme.

In der von seinem liberalen Premierminister Mark Rutte geschriebenen Parlamentsrede führte Willem Alexander aus: "Aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen wie der Globalisierung und einer alternden Bevölkerung passen unsere Arbeitsmärkte und öffentlichen Dienstleistungen nicht mehr zu den Forderungen der Zeit." Warum eigentlich nicht? Und wessen Forderungen sind hier "die Forderungen der Zeit"? Doch hören wir weiter: "Der klassische Wohlfahrtsstaat entwickelt sich weiter in eine 'partizipatorische Gesellschaft'", so der König, um anzuschließen, dass das eine Gesellschaft ist, in der von den Bürgern erwartet wird, für sich selbst zu sorgen oder zivilgesellschaftliche Lödsungen für Probleme wie das Wohlergehen der Pensionäre zu schaffen.

So ist das also gemeint: die partizipatorische Gesellschaft als Konstrukt, in der schließlich jeder seines Glückes Schmied ist; und wo sich der Staat zurückzieht, sollen dann "zivilgesellschaftliche Lösungen" in die Bresche springen; Partizipation als Sozialdarwinismus und Zivilgesellschaft als Lückenbüßer für Staatsversagen! Die Amsterdamer Regierung - bekannt als neoliberaler Hardliner gegenüber Südeuropa - steht unter Berufung auf Brüsseler Vorgaben (oder "die Globalisierung") jetzt selbst vor eine neuen Runde von Kürzungen - im Gesundheitswesen, bei den Renten und der Arbeitslosenunterstützung. Doch in der Rede für den König präsentiert Rutte Austerität nicht als vorrübergehendes "Gürtel-enger-schnallen", sondern als systematischen und dauerhaften Umbau der Gesellschaft im Sinne der Beseitigung eines einstmals egalitären und vorbildlichen sozialen Modells. Die Kürzung der bislang recht großzügigen Entwicklungshilfe der Niederlande steht übrigens auch auf diesem perversen Programm...

>>> Und noch ein Hinweis: They Have Made A Desert, and Called it Reform (Paul Krugman über Wolfgang Schäubles FT-Artikel)

1 Kommentar:

Boris Schneider hat gesagt…

Das ist nicht nur in den Niederlanden so, sondern generell ein europäischer Trend. Sozialstaaten werden systematisch zerstört und abgebaut. Am Ende kümmert sich jeder um sich selbst, oder eben nicht.