Mehr vom selben, nur netter verpackt. Der Report zur Post-2015-Entwicklungsagenda
Gastblog von Gabriele Köhler*)
Das von
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eingesetzte High-level Panel of Eminent Persons
(HLP) hat soeben seine Empfehlungen für die Post-2015-Entwicklungsagenda, die
Nachfolgerin der MDGs, vorgelegt (s. Hinweis). Sie gehen auf einige Forderungen
der globalen demokratischen und sozialen Bewegungen ein. So werden mehrere
universelle, rechtebasierte Ziele formuliert: Ausrottung der absoluten Armut
und Beendigung des Hungers, Beseitigung der Kindersterblichkeit, Bereitstellung
universeller Gesundheitsversorgung, Gewährleistung universeller reproduktiver
Rechte, Universalisierung einfacher und mittlerer Grundbildung, Zugang zu
Wasser und Hygieneeinrichtungen. Der Bericht unterstreicht auch die
Notwendigkeit der Veränderung von Konsum- und Produktionsmustern und der
Sicherung nachhaltiger Entwicklung. Er verpflichtet sich zu Menschenrechten,
Geschlechtergleichheit und zur Freiheit von Furcht. Er schlägt eigenständige
und Querschnittsziele in Bezug auf Ungleichheit vor.
* Klingt besser als die MDGs,
aber …
Das
alles scheint eine Verbesserung im Vergleich zu den ursprünglichen
Millennium-Entwicklungszielen zu sein, die sich mit der Halbierung oder
Reduzierung von Hunger, Armut, Mütter- und Kindersterblichkeit zufrieden gaben.
Es ist eine Verbesserung auch da, wo die Grenzen des Planeten als zentrale
Rahmenbedingung anerkannt werden und weil soziale Exklusion in vielerlei
Hinsicht als inakzeptabel gebrandmarkt wird.
Gleichwohl
bleibt der Report konzeptionell in der neoliberalen Welt des
Wirtschaftswachstums und der Marktkräfte befangen, denen er lediglich Attribute
wie „inklusiv“, z.B. „inklusives Wachstum“, additiv hinzufügt. Der Bericht ist
blind für die Erfordernisse radikalen Wandels in der Funktionsweise globaler
Wertschöpfungsketten, die Armut und Mühsal tagtäglich reproduzieren. Der Report
schlägt weder einen universellen Zugang zu menschenwürdiger Arbeit vor noch
gleichen Zugang zu Land, Wasser oder intellektuellen Eigentumsrechten. Der
fallende Anteil der Löhne am Bruttoinlandsprodukt, der in vielen Ländern so
charakteristisch für die zurückliegende Dekade war, ist den Autoren keiner Erwähnung
wert. Stattdessen unterstützt der Report die neoliberale Politik der Flexibilisierung
der Arbeitsmärkte – als wären die Arbeitslosen Schuld an ihrer Arbeitslosigkeit,
weil sie inflexibel sind. Der Bericht empfiehlt Start-up-Unternehmen als Lösung
für die immer mehr zunehmenden Arbeitslosen und die Working Poor, die Armen in
Arbeit. Dies sind marktfundamentalistische Antworten auf tiefliegenden strukturelle
Probleme, die sich nicht nur als falsch, sondern als schädlich für die Mehrheit
der Weltbevölkerung erwiesen haben.
Darüber
hinaus kann globales BIP-Wachstum nicht nachhaltig sein. Eine Umschichtung des
Wirtschaftswachstums auf die Länder des Südens, wo es durchaus noch nötig ist,
um Armut und Unterversorgung anzugehen, kommt
aber im Denken der Autoren gar nicht vor.
Die
allgemeine Verpflichtung zur Beendigung der Armut, die radikal klingt, entpuppt
sich bei näherem Hinsehen als Lippenbekenntnis. Sie ist auf 2030 verschoben.
Das bedeutet im Klartext: Toleriert wird, dass eine ganze weitere Generation in
Armut aufwäschst und leben soll. Das sind zwei Milliarden Menschen – oder mehr.
Hinzu kommt: Die Empfehungen des Reports
geben sich damit zufrieden, dass nur die
extremste Form der Einkommensarmut – unter 1,25 Dollar pro Tag – ausgerottet
würde.
Obwohl
so getan wird, als gehe es um eine Entwicklungsagenda, ist der Abbau des
Sozialstaates nicht Gegenstand des Berichts. Doch Entwicklung ist, wie
allgemein bekannt, kein spontaner Prozess. Die Rolle des Staates für
Gleichheit, Inklusion, für den Schutz der Umwelt, die Bereitstellung von
Einkommen, Ernährungssicherheit und die Freiheit von Not, Furcht und
Erniedrigung wird kaum angesprochen.
Summa
summarum: Der Bericht bleibt einem neoliberalen Paradigma verhaftet. So bleibt
das verbesserte Set von Zielen letztlich nur kosmetisch. Nichts ist anders
geworden – es sieht nur hübscher aus.
*) Gabriele Köhler lebt als Entwicklungsökonomin und Publizistin in
München. Der Kommentar erschien im englischen Original auf www.gabrielekoehler.net.
Hinweis:
* The Report of the High-Level Panel of Eminent
Persons on the Post-2015 Development Agenda: A New Global Partnership: Eradicate Poverty and Transform Economies
Through Sustainable Development, 81 pp, United Nations: New York 2013. Als PDF-Download unter: www.post2015hlp.org/wp-content/uploads/2013/05/UN-Report.pdf
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