G8-Obsession: Wachstum und Freihandel
Immer
wenn eine Verhandlungsrunde über ein neues Freihandelsabkommen eingeläutet
werden soll, erklingt ein Chor von Vorhersagen, wie segensreich und
wohlfahrtsfördernd das neue Abkommen sein wird. So ist es auch diesmal wieder.
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), für dessen
Aushandlung die G8 soeben den Startschuss gegeben haben, soll laut einer Studie
der EU-Kommission die Wirtschaftsleistung in Europa um 119 Mrd. € pro Jahr und
in den USA um 95 Mrd. € pro Jahr erhöhen. Schon heute entfällt auf die USA und
die EU zusammengenommen rund die Hälfte des globalen Outputs und ein Drittel
des Welthandels. Die Botschaft ist klar: Seht her, wir geben dem Wachstum einen
kräftigen Schub.
Auch
wenn die Wohlfahrtswirkungen nach einem anderenGutachten, das das Münchner ifo-Institut gestern veröffentlichte, genau
andersherum verteilt sein werden und die USA mehr als die EU profitieren
werden, während die Umlenkungseffekte im Handel zu Lasten der Entwicklungs- und
Schwellenländer gehen werden, das zusätzliche Wachstum ist allemal groß genug,
um das hochgelobte Freihandelsprinzip vor kritischen Fragen abzuschirmen. Dabei
wird bei solchen Zahlenspielen geflissentlich „übersehen“, dass es sich um pure
Hypothesen handelt, da die eigentlichen Verhandlungen zum Zeitpunkt der
Durchführung der Studien noch gar nicht begonnen haben, und über die
tatsächlich erreichbaren Verhandlungsergebnisse nur spekuliert werden kann.
Auch
die qualitativen Seiten werden durch den Wachstums- und Freihandelswahn stets
unter den Teppich gekehrt, seien es die Folgen für den Verbaucherschutz, für
die Umwelt oder die Bewegungsfreiheit der Konzerne, wenn wie jetzt geplant,
Standards einfach gegenseitig anerkannt statt auf hohem harmonisiert oder
Unternehmen Klagerechte gegen Staaten eingeräumt werden. Von der
grundsätzlichen Frage, wie viel zusätzliches Wachstum der Planet eigentlich
verträgt, ist schon gar keine Rede mehr, wenn die Besessenheit von Wachstum und
Freihandel wie jetzt wieder in Lough Erne die Oberhand gewinnt.
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