G7-Finanzminister: Gefangen in den eigenen Widersprüchen
Die Finanzminister und Notenbankpräsidenten kamen überein, in ihren Ländern unterschiedliche Strategien umzusetzen. So etwa könnte man die Quintessenz des G7-Treffens zusammenfassen, das an diesem Wochenende in Marseille stattfand. Die G7? Brauchen wir die überhaupt noch? Die G7 haben – anders als die G20 – gemeinsame Interessen und sind so klein, dass sie zügig zu entschlossenem Handeln finden können, sagen die Befürworter. Die neueste Edition des G7-Finanzministertreffens produzierte jedoch alles andere als das „kühne Handeln“, das die neue Direktorin des IWF, Christine Lagarde, in einer Rede am Vorabend des Treffens für die „neue, gefährliche Phase der weltwirtschaftlichen Entwicklung gefordert hatte, und zwar „jetzt“.
Die schmalen „Terms of reference“, die die G7-Minister und Zentralbankchefs in Marseille doch noch zu Papier gebracht haben (ursprünglich sollte es gar kein Kommuniqué geben), sprechen von einem „delikaten Balanceakt“ zwischen fiskalischer Konsolidierung und neuen Konjunkturstimuli. In Wirklichkeit aber balanciert kaum einer. Außer vielleicht der US-amerikanische Präsident Obama, der das neue Diktum der IWF-Chefin von der Notwendigkeit einer kurzfristigen Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung, bei gleichzeitiger mittelfristiger Konsolidierung begierig aufgegriffen und in dieser Woche ein neues Programm für Wachstum und Beschäftigung in Höhe von 450 Mrd. Dollar angekündigt hat. Wie weit er damit durchkommt angesichts der Obstruktionspolitik der Republikaner, steht auf einem anderen Blatt. Vor allem die europäischen G7-Länder mit Deutschland und Großbritannien an der Spitze verfolgen jedoch ziemlich ungerührt weiter einen rigiden Austeritätskurs – da mag Lagarde wie Anfang der Woche im „Spiegel“ noch so unmissverständlich nach einem deutschen Konjunkturprogramm rufen.
Dabei liegen die Warnungen vor einem Rückfall in eine zweite Rezession inzwischen offen auf dem Tisch. Noch recht moderat hat der neue Trade & Development Report der UNCTAD am letzten Dienstag davor gewarnt, dass die Konjunktur in den Industrieländern an Schwung verliert und wie gefährlich in dieser Situation die Einstellung staatlicher Anreize sein kann. Erheblich drastischer war da, wie die OECD am Donnerstag die Wachstumsprognosen für die G7-Ökonomien nach unten korrigierte. Danach wird sich das Wachstum in der zweiten Hälfte des Jahres 2011 nur noch auf unter 1% (Jahresrate) belaufen, während im Mai noch 3% prognostiziert worden waren. Besonders drastisch wird das Wachstum danach zum Ende des Jahres in Deutschland einbrechen; für das vierte Quartal sagt die OECD einen Rückgang von 1,4% voraus. Wie abgehoben von der Realität müssen deutsche Politiker inzwischen eigentlich sein, wenn selbst die Warnungen der OECD ihr Schönwettergerede nicht zum verstummen bringen?
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