Die Globalisierung im Krisenmodus
Wer redet eigentlich noch von Globalisierung? Im Vergleich zu den 1990er Jahren oder zum Anfang des neuen Jahrhunderts hat die Häufigkeit, in der das G-Wort in den Massenmedien benutzt wird, deutlich abgenommen – in der „Le Monde“ beispielsweise seit dem Beginn des letzten Jahrzehnts um 80%. Das hängt auch damit zusammen, dass die Globalisierung selbst in den Krisenmodus übergegangen ist. Seit 2007/08 redet alle Welt von der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Schatten der großen Krise sind länger, als viele vor drei Jahren vorausgesagt hätten. Die Globalisierung zeigt sich von ihrer dunklen Seite, z.B. als Globalisierung von Armut, Elend und Arbeitslosigkeit.
Während das erneute Beben des Finanzsektors in diesem Sommer auf die Gefahr des Rückfalls in eine zweite Rezession („double-dip“) hindeutet, sind die sozialen Konsequenzen der Krise noch nicht einmal ansatzweise behoben. Die globale soziale Krise steht deshalb im Mittelpunkt des diesjährigen Weltsozialberichts der Vereinten Nationen. In einer neuen Ausgabe der W&E-Vierteljahresberichte zur Weltwirtschaft (s. Abb.) stellt Gabriele Köhler den neuen UN-Report vor, mit deutlich kritischeren Untertönen übrigens, als sie sonst bei W&E-AutorInnen üblich sind.
Auch die ausländischen Direktinvestitionen, ein herausragender Indikator von Globalisierung und internationaler ökonomischer Verflechtung, befinden sich seit zwei Jahren im Krisenmodus. Die aktuelle Entwicklung der Direktinvestitionen hinkt immer noch hinter der Erholung des Outputs und des Welthandels her. Aufschlussreich ist hier der neue Weltinvestitionsbericht (WIR) der UNCTAD. Direktinvestitionen zeichnen sich per definitionem dadurch aus, dass über sie ein entscheidender Anteilsanteil an einem Unternehmen im Gastland angestrebt wird, wenn die neue Niederlassung nicht ohnehin ganz in den Händen des ausländischen Unternehmens liegt. Wie der Bericht zeigt, wird inzwischen aber immer deutlicher, dass transnationale Unternehmen auch ohne die Kontrolle des Aktienkapitals die Geschäftspolitik von Unternehmen im Süden bestimmen können. Dies findet über zahlreiche Formen des Subcontracting statt – ein Globalisierungsindikator, der bislang oft vernachlässigt wurde, in dem neuen WIR aber ausführlich behandelt wird.
Eher auf der Sonnenseite der Globalisierung sehen sich inzwischen zahlreiche Schwellenländer, die wie in Lateinamerika recht gut durch die globale Krise gekommen sind. Andrés Valesco, eine weiterer Autor des neuen Vierteljahresberichts, macht jedoch deutlich, wie trügerisch der aktuelle Wirtschaftsboom Lateinamerikas möglicherweise ist: Schon öfter mündete ein Höhenflug auf dem Kontinent in einem verlorenen Jahrzehnt.
* Vierteljahresberichte zur Weltwirtschaft: W&E-Hintergrund September 2011 >>> hier.
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