Leerverkäufe: Kein Objekt für Halbherzigkeiten
Der Umfang, in dem am Wochenende über das Verbot von Leerverkäufen („short selling“) berichtet wurde, steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Polemik über die angebliche Wirkungslosigkeit dieser Maßnahme. Seit Freitagmorgen sind in vier EU-Ländern „Shorts“ mit den Aktien von rund 60 Banken verboten. Das Verbot verhängten Frankreich, Italien, Belgien und Spanien – auch europäisches „Quartett“ genannt. Schon zuvor hatten Griechenland, die Türkei und Südkorea Leerverkaufsverbote verhängt. In Deutschland gilt schon seit geraumer Zeit ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe („naked shorts“).
Während bei Leerverkäufen generell Spekulanten mit geliehenen Papieren auf deren Kursverfall wetten, um diese zu einem geringeren Wert wieder zurückzukaufen, halten die Händler bei ungedeckten Leerverkäufen die Papiere nicht einmal leihweise. Die ganze Praxis nimmt sich letztlich so aus, als würde ich eine Feuerversicherung auf das Haus meines Nachbarn abschließen und dann im Brandfall die Prämie einstreichen.
Die neuerlichen Verbote können zunächst einmal als Beleg dafür genommen werden, wie relativ problemlos ein Verbot problematischer Handelspraktiken möglich ist, wenn nur der entsprechende politische Wille vorhanden ist. Dass es die neue Börsenaufsichtsbehörde der EU nicht schaffte, ein EU- oder zumindest Eurozonen-weites Verbot durchzusetzen, belegt lediglich einen mangelnden Willen innerhalb Europas zu einheitlichem Vorgehen an den Finanzmärkten, nicht das Vorhandensein irgendwelcher Technikalitäten. Soweit so gut bzw. schlecht.
Was bei der ganzen Aufregung freilich nicht übersehen werden darf, ist die Begrenztheit der jetzigen Maßnahmen, die sich nicht nur lediglich auf Finanztitel beziehen (wobei das Schattenbankensystem noch nicht einmal einbezogen ist), sondern auch lediglich für 15 Tage in Kraft bleiben sollen. (Dass ein so kurzfristiges Verbot keine nachhaltige Wirkung erzielen kann, was das Hauptargument der Verbotskritiker ist, sollte niemanden verwundern.) Neben einer umfassenderen und unbefristeten Anlage des Verbots an den Börsen wäre es jedoch ungleich wichtiger, den ungedeckten Handel mit Kreditausfall-Swaps (CDS) ins Visier zu nehmen, die heute noch als probates Wettinstrument gegen ganze Staaten gelten. Die Bundesregierung leistet sich in dieser Situation einmal wieder eine reichlich widersprüchliche Position: Während sie dem europäischen Quartett die Unterstützung verweigert, plädiert sie im Kreis der EU-Finanzminister seit Mai dieses Jahres für ein weitreichendes Verbot von ungedeckten CDS-Verkäufen.
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